Angefangen hat es mit ganz einfachen Symptomen im Oktober 2022. Müdigkeit, Kopfweh, Gliederschmerzen – all die klassischen Beschwerden, die man bei einem grippalen Infekt hat. Doch nach zahlreichen Tests, dem Ausschluss des Epstein-Barr-Virus als Ursache und rund vier Wochen, in denen sich der Zustand von Alexander (Name von der Redaktion geändert) nicht verbessert, sondern verschlechtert hat, stand die Diagnose Long Covid fest.

Long Covid ist eine Folgeerkrankung einer Covid-19-Infektion. Es beschreibt entweder gesundheitliche Beschwerden, die auch über vier Wochen nach einer akuten Infektion hinaus bestehen. Oder – wie im Fall von Alexander nach einer beschwerdefreien Zeit von mehreren Wochen neu auftreten.

Seit Oktober war Alexander nicht mehr in der Schule

Alexander ist 13, über 1,90 Meter groß und eigentlich sehr sportlich, spielt in einem Volleyballverein. Seit Oktober hat er die Schule nicht mehr besucht und ist außerhalb der Wohnung auf den Rollstuhl angewiesen. Kleine Stücke könne er gehen, erzählt seine Mutter Claudia. "Recht bald haben ihn seine Beine nicht mehr getragen, die Stiegen in die Wohnung müssen wir ihn hinauftragen", sagt Claudia.

Alexander und seine Familie traf die Diagnose unvermittelt, seine milde Covid-Erkrankung lag mehrere Monate zurück. Über eine Facebookgruppe ist Claudia auf die Ordination der Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Regina Rath-Wacenovsky aufmerksam geworden. Bei der Wiener Ärztin ist Alexander, der mit seiner Familie in Graz wohnt, in Behandlung. "Bei Alexander ist die Fatigue, die Erschöpfung, sehr ausgeprägt", sagt die Expertin. Und sie erklärt, dass der Zustand nicht jeden Tag gleich ist. "Die Fatigue variiert mit der Belastung. Es gibt den normalen Verlauf, kommt es zu einer Überlastung, haben Patienten wie Alexander sogenannte Crashes." An solchen Tagen kann der Teenager nur liegen. Auch soziale Kontakte sind ihm dann zu anstrengend, erzählt seine Mutter: "Er hat kaum Kraft für Freunde, auch sich mit uns zu unterhalten ist für ihn anstrengend."

Pacing ist ein Standbein der Therapie. Das bedeutet, dass darauf geachtet werden muss, dass sich Alexander nicht über seine Leistungsgrenze hinaus beansprucht. Wenn Arzttermine in Wien geplant sind, bedeutet das, dass Alexander sich schon in den Tagen davor schonen muss. Und auch in den Tagen danach braucht er viel Zeit, um sich auszuruhen.

Ein Spaziergang zum Supermarkt als Tageshighlight

Alexander hat vier Geschwister, beide Eltern sind berufstätig. In der Früh, vor der Arbeit, wird alles für ihn vorbereitet, damit er über den Tag gut versorgt ist. Das Mittagessen ebenso, wie kleine Aktivitäten, die Alexander machen kann, wenn es ihm gut geht – malen etwa. Freude bereiten ihm kleine Dinge: "Wenn wir uns Zeit für ihn nehmen, am Abend spazieren gehen, um im Supermarkt eine Tafel Schokolade zu kaufen – das ist sein Tageshighlight."

Der Verlauf von Alexander ist kein Einzelfall. Kinderärztin Rath plädiert dafür, die jungen Patienten und ihre Familien ernst zu nehmen. Oft sei das Gegenteil der Fall: "Die Kinder werden als faul und nicht willig hingestellt, es wird nicht erkannt, dass junge Menschen hier aus ihrem Leben gerissen werden, sie können von heute auf morgen Dinge nicht mehr, die sie immer konnten." Long Covid sei eine psychisch wie organisch schwere Erkrankung, für die es noch keine schnellen Behandlungskonzepte gebe.

Gleichzeitig gehe es auch darum, Mut zu machen, die Patienten zu motivieren. "Wenn sie sich sozial isolieren, ist das ja nicht förderlich." Aus diesem Grund brauche es vor allem Konzepte, wie diese chronisch kranken Kinder an der Schule teilnehmen können. Im Fall von Alexander funktioniert das seit ein paar Wochen mit einem Avatar, der in der Klasse steht und über den er den Unterricht von zu Hause verfolgen kann.
Für Alexander blicken seine Mutter und Ärztin positiv auf die nächsten Monate. "Wir schaffen das", sagt Claudia.