Es gibt Menschen, die scheinbar essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen. Und dann gibt es jene, bei denen das Gegenteil der Fall zu sein scheint – die das Essen vermeintlich nur anzuschauen brauchen und zunehmen. Aber ist das wirklich so? "Das Märchen, dass man zunimmt, ohne etwas zu essen, ist nicht wahr", sagt Hermann Toplak von der Medizinischen Universität Graz. Der Ernährungs- und Stoffwechselexperte erklärt das anhand verschiedener Faktoren.

Von guten und schlechten Futterverwertern

Zum einen sind da natürlich die vererbten Gene, die eine Rolle spielen, es geht aber auch um den Aspekt Futterverwertung. "Es gibt Menschen, die brauchen einfach mehr Energie als die anderen", erklärt Toplak. Demnach ist zwischen guten und schlechten Futterverwertern zu unterscheiden. Zu Letzteren gehören die Menschen, die trotz Essen nicht zunehmen. Gute Futterverwerter hingegen sind jene, die einen großen Teil der Energie, die sie mit der Nahrung aufnehmen, als Fett im Körper deponieren.

Bei ihnen sind es oft nur vergleichsweise kleine Dinge in der Ernährung, die einen großen Unterschied machen. Der Experte führt ein Beispiel an: Trinke jemand beispielsweise jeden Tag ein Glas frisch gepressten Orangensaft zusätzlich, könne diese Person bis zu vier Kilogramm im Jahr zunehmen.

"Ich hab eh nix gegessen": Die Rolle der Selbstwahrnehmung

Eine Rolle spielt aber auch die Selbstwahrnehmung: Wie ehrlich ist man in Sachen Nahrungsaufnahme zu sich selbst? Den Internisten, der an der Med Uni Graz tätig ist, suchen immer wieder Patienten auf, die von sich selbst behaupten, kaum etwas zu essen und dennoch ständig zuzunehmen. Dabei würden viele nicht realisieren, wie viel sie tatsächlich essen, da dies oft nebenbei geschieht. "Wenn man nach der Arbeit nach Hause kommt, überlegt man normalerweise nicht, was die Ernährungsberatung gesagt hat", so Toplak. "Dann isst man keinen Salat, kein Radieschen oder ein Stück Paprika."

Hermann Toplak von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz
Hermann Toplak von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz © KK

Viel mehr verlange der Körper in Stresssituationen häufig nach etwas Energiedichtem: "Man isst schnell, hastig – die Sättigung kommt erst aus dem Magen, nicht aus dem Kopf." In solchen Situationen esse man nicht auf der Bewusstseinsebene, sondern automatisch. "Das ist eine Risikosituation, weil man mengenmäßig tendenziell zu viel und das Falsche isst." Vielmehr empfiehlt der Experte, sich selbst zuerst zur Ruhe zu bringen – ohne zu essen: "Erst wenn man sich auf der Bewusstseinsebene befindet, kann man wirklich entscheiden, was man tut."

Ernährung: Eine gesunde Balance finden

Um eine gesunde Balance zu finden, empfiehlt Hermann Toplak, auf eine abwechslungsreiche Ernährung zu achten: "Kollegen aus Innsbruck haben in einer Studie herausgefunden, dass jene, die gesund alt geworden sind, am vielseitigsten gegessen haben." In Anbetracht der vielen prozessierten Lebensmittel sei es heute umso wichtiger, eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen sicherzustellen. Er fasst zusammen: "Im Endeffekt muss man sich gar nicht so viel merken: Es soll wenig sein, gesund und ausgewogen. Die Waage ist am Ende des Tages der beste Indikator."