Am heutigen Dienstag (30. Mai 2023) ist internationaler Welt-MS-Tag. Multiple Sklerose ist die häufigste entzündlich-neurologische Erkrankung und führt bei vielen Betroffenen zu zunehmenden Behinderungen. In Österreich leben rund 13.500 Menschen mit Multipler Sklerose. Bei in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer breiter gewordenen Behandlungsmöglichkeiten stellt sich die Frage nach einer optimalen Langzeitstrategie. Eine heimische Registerstudie hat jetzt für Patientinnen und Patienten mit schubförmiger MS deutliche Vorteile bei Verwendung hochwirksamer immunologischer Therapien belegt.
An der Studie waren Fachleute für Neurologie der Med Unis in Wien, Graz und Innsbruck und der Universitätskliniken in Linz und Salzburg beteiligt. Die Daten der Untersuchung stammten aus dem österreichischen MS-Behandlungsregister (AMSTR). Es ging dabei um die Frage, welche medikamentöse Behandlung bei schubförmig verlaufender Multipler Sklerose nach einer Ersttherapie mit Beta-Interferon oder Glatiramer-Azetat in der Routine außerhalb von klinischen Studien am wirksamsten ist.
Die beiden Arzneimittel sind schon seit Mitte der 1990er-Jahre in Verwendung und brachten ehemals in Studien eine Reduktion der MS-Schubrate um etwa ein Drittel. In der MS-Therapie stehen das Abblocken von akuten Phasen und die Verhinderung von weiteren solchen Krisen im Zentrum, weil mit jedem Krankheitsschub eine stärkere bleibende Behinderung verbunden sein kann.
Die Autoren unter Michael Guger (Krankenhaus Steyr und Kepler Universität Linz) betonen in der Einleitung zu ihrer Studie die weiteren Fortschritte in der MS-Therapie nach den "Plattform"-Substanzen Beta-Interferon und Glatiramer-Azetat: So zeigte sich mit dem vor allem entzündungshemmenden Medikament Dimethylfumarat und dem ursprünglich aus der Rheumatherapie stammenden Teriflunomid im Vergleich zu Placebo eine Verringerung der jährlichen MS-Schubrate um 44 bis 53 Prozent bzw. um 32 bis 36 Prozent. Beide Mittel werden für die Therapie leichter bis mittlerer Verlaufsformen der MS eingesetzt.
Therapien im Vergleich
Bei zwei oder mehr Krankheitsschüben pro Jahr spricht man hingegen von schwerer MS. Hier wurden in den vergangen zwei Jahrzehnten mit stark immunologisch wirksamen Substanzen wie Fingolimod (ursprünglich aus der Transplantationsmedizin), Ozanimod, Cladribin (Chemotherapeutikum) oder den monoklonalen Antikörpern Natalizumab, Alemtuzumab oder Ocrelizumab neue Wirkprinzipien entwickelt und zur Behandlung schnell fortschreitender Multipler Sklerose zugelassen. Wissenschaftliche Belege, auf welche Alternativen man bei mangelnder Wirksamkeit der "Plattform"-Therapie am besten ausweichen sollte, waren aber bisher begrenzt.
Die österreichischen Experten verglichen in ihrer Anfang März im Journal of Neurology erschienen Arbeit deshalb die Daten von 669 MS-Patientinnen und -Patienten aus dem Therapieregister, die ab 2006 von Interferon-Beta oder Glatiramer-Azetat "horizontal" auf eine Behandlung mit Dimethylfumarat oder Teriflunomid gewechselt hatten, mit 800 Kranken, die "vertikal" auf eine der hochaktiven immunologischen Therapien umgestellt wurden. Die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig: Bei "horizontalem" Wechsel der Therapie kam es jährlich im Mittel zu einer Schubrate von 0,39 solcher Episoden. "Vertikale" Umstellung auf die hochwirksamen Therapien reduzierte die jährliche Schubrate auf weniger als die Hälfte (0,17).
Insgesamt kam es nach einer der statistischen Auswertungen bei einer Umstellung von der Basistherapie auf Dimethylfumarat oder Teriflunomid im Vergleich zu den anderen Medikamenten um 86 Prozent seltener zu Schüben. Der Wechsel auf die effektiveren Therapien war auch mit einer um fast 80 Prozent geringeren weiteren notwendigen Veränderung der Behandlung verbunden.
Computergestützte Therapieform
In Oberösterreich wurde vor einigen Jahren eine spezielle, computergestützte Therapieform entwickelt, die direkt im Gehirn wirkt. Ursprünglich wurde das System auf der Basis eines Brain-Computer-Interfaces gegen die Folgen von Schlaganfällen entwickelt. Dieses Gehirntraining funktioniert mithilfe von Elektroden und einem Avatar auf dem Computerbildschirm. Während die Betroffenen mit ihren Gedanken den Avatar bewegen, lösen gleichzeitig elektrische Impulse diese Bewegung wiederum bei den Patientinnen und Patienten aus. So wird erreicht, dass gesunde Areale die Aufgaben von geschädigten Gehirnregionen übernehmen.