Essstörungen, Depressionen und Angststörungen bei jungen Menschen – vor allem bei Mädchen und Frauen – nehmen drastisch zu. Nicht unbeteiligt sind daran Social-Media-Plattformen wie TikTok und die Schönheitsfilter, die man dort über das eigene Gesicht legen kann: "Die Fotos, die wir online sehen, sind völlig unrealistisch. So sehen Menschen nicht aus", sagt Psychiaterin Theresa Lahousen-Luxenberger. Und das kann psychischen Druck erzeugen. Vor allem, wenn junge Menschen zuvor schon psychische Probleme aufweisen oder einen geringen Selbstwert haben, könne die ständige Auseinandersetzung mit diesen unerreichbaren Idealen Essstörungen, Ängste und Depressionen befeuern.
"Die ersten Filter, die es vor Jahren gab, waren ja noch nett – etwa wenn man sich damit Hasenohren verpassen konnte. Aber nun hat das eine ungesunde Dimension angenommen", so die Expertin. Denn die Filter werden immer professioneller, die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmt immer mehr. "So will man verstärkt diesem verfälschten Ideal entsprechen. Früher sahen wir solche Bilder zwar auch schon in Magazinen, aber solche kann man weglegen." Soziale Medien hingegen sind omnipräsent.
Schönheitsoperationen bei jungen Menschen boomen
Dass das Streben nach einem Schönheitsideal, das fast ausschließlich im digitalen Raum existiert, die Selbstwahrnehmung beeinflusst, merkt auch der plastische Chirurg Franz Maria Haas aus Graz. Ein Nebeneffekt: Schönheitsoperationen erleben vor allem bei jungen Erwachsenen derzeit einen neuen Boom. "Es gibt viele Institute, die ausschließlich Botox und Hyaluron spritzen", weiß er. "Die Hauptklientel sind dabei 18- bis 25-jährige Frauen."
Seit Ende der 90er-Jahre führt Haas, der eigentlich auf rekonstruktive Chirurgie spezialisiert ist, auch ästhetische Eingriffe durch, er sieht die sich verändernden Schönheitsideale allerdings kritisch. "Damit umzugehen, dass online aufgrund von Filtern niemand so aussieht wie in echt, kann herausfordernd sein", sagt er. "Wenn sich junge Menschen operieren lassen wollen, hat das immer einen psychologischen Hintergrund, auch wenn den Körpern nichts fehlt."
Eingriffe an gesunden Körpern
Diejenigen, die seine Praxis aufsuchen, werden ebenfalls immer jünger, bemerkt er. 20 bis 30 Prozent der Behandlungswünsche lehnt der Chirurg inzwischen ab. "Oft schildern mir Leute ihre 'Makel' und ich kann es nicht sehen. Das kommuniziere ich auch so. Man muss sich bewusst sein, dass in der rein ästhetischen Medizin ausschließlich Menschen behandelt werden, die nicht krank sind. Dadurch ist es ein Hochrisikobereich, denn im Grunde sind es Eingriffe an gesunden Körpern", sagt Haas.
Schönheitsbehandlungen können einen Suchtcharakter aufweisen, sagt er. "Wenn ein 'Makel' behoben ist, dauert es nicht lange, bis der nächste gefunden ist." Zwar seien Patientinnen und Patienten inzwischen hoch sensibilisiert, trotzdem fehle vor allem jungen Menschen häufig das Bewusstsein für die Folgen eines jeden Eingriffes. "Spritzen junge Frauen über Jahre ihre Lippen auf, bilden sie sich, nachdem man damit aufhört, nie wieder ganz zurück."
Karenz von der Bildschirmzeit
Doch was kann man tun, wenn man merkt, dass die eigene Psyche durch soziale Medien in Mitleidenschaft gezogen wird? "Es braucht absolute Karenz. Man muss runter von diesen Plattformen. Nur die Bildschirmzeit zu reduzieren, reicht da nicht aus", sagt Lahousen-Luxenberger. Denn immerhin bleiben mehr als genug unrealistische Schönheitsideale in der analogen Welt übrig.