Im Auftrag des Europäischen Dachverbandes der Biolandwirtschaft "IFOAM Organics Europe" hat Global 2000 Unterschiede zwischen Pestiziden der konventionellen Landwirtschaft und jenen in der Biolandwirtschaft erlaubten analysiert. Eines der Ergebnisse: 55 Prozent der 256 meist synthetischen Pestizidwirkstoffen tragen Hinweise auf Gesundheits- oder Umweltgefahren, bei den 134 natürlichen Wirkstoffen, die unter anderem in der Biolandwirtschaft erlaubt sind, sind es drei Prozent.

16 Prozent der konventionellen Pflanzenschutzmittel beinhalten zudem Warnhinweise über mögliche Schäden für ungeborene Kinder und den Verdacht auf Karzinogenität, also die Krebserzeugung fördern. Auch akute tödliche Wirkungen werden beschrieben – bei den Pestiziden mit Biozulassung lag der Wert bei null. Die Festlegung von ernährungs- und arbeitsmedizinischen Richtwerten hielt die EFSA, die EU-Behörde für Ernährungssicherheit, bei 93 Prozent der konventionellen, aber nur bei sieben Prozent der natürlichen Wirkstoffe für angebracht. Als Maßstab für den Vergleich dienten die von der EU-Chemikalienagentur (ECHA) festgelegten Gefahrenklassifizierungen des Global Harmonisierten Systems (GHS) sowie die von der EFSA im Zulassungsverfahren festgelegten ernährungs- und arbeitsmedizinischen Richtwerte.

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Biolandwirtschaft auf 25 Prozent ausweiten

Laut Global 2000 warnen Pestizidhersteller wie Bayer, Syngenta oder Corteva jedoch öffentlich vor "ökologischen Zielkonflikten, die mit einer Zunahme der Biolandwirtschaft einhergehen", wie dem "Anstieg des Gesamtvolumens des Pestizideinsatzes in Europa". Grund dafür seien die Ziele des Green Deal EU, die unter anderem vorsehen, die Biolandwirtschaft EU-weit bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent auszuweiten.

Für Helmut Burtscher-Schaden, Global-2000-Biochemiker und Erstautor der Studie, sind die Unterschiede nicht überraschend, rund 90 Prozent der konventionellen Pestizide seien chemisch-synthetischen Ursprungs. Beim Großteil der natürlichen Wirkstoffe handle es sich hingegen "gar nicht um Stoffe im eigentlichen Sinn, sondern um lebende Mikroorganismen. Diese machen 56 Prozent der zugelassenen 'Biopestizide' aus". Als natürliche Bodenbewohner hätten sie so keine gefährlichen Stoffeigenschaften. Weitere 19 Prozent der Biopestizide seien von vornherein als "Wirkstoffe mit geringem Risiko" (zum Beispiel Backpulver) eingestuft oder als Grundstoffe (Sonnenblumenöl, Essig, Milch) zugelassen, erläuterte Burtscher-Schaden.

Potenzial von natürlichem Pflanzenschutzmittel

Jan Plagge, Präsident von "IFOAM Organics Europe", wies darauf hin, dass sich Biobetriebe auf vorbeugende Maßnahmen konzentrieren würden. Auf rund 90 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Flächen würden daher keinerlei Pestizide eingesetzt und auch keine natürlichen Stoffe. Jennifer Lewis, Direktorin des Dachverbands der Hersteller biologischer Pflanzenschutzmittel (IBMA), verwies indes auf die "enormen Potenziale" der bereits heute verfügbaren natürlichen Pflanzenschutzmittel und -methoden für konventionelle Landwirtschaft und Biolandwirtschaft. Die Zulassungsverfahren für die biologische Schädlingsbekämpfung sollten daher beschleunigt werden.

Bio Austria, das Netzwerk österreichischer Biobäuerinnen und Biobauern, verwies in einer Aussendung auf den EU-Verordnungsentwurf zur "nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln" (SUR) und den in Kürze startenden Verhandlungen im EU-Parlament dazu. Der hier vorgeschlagene Indikator "Harmonised Risk Indicator (HRI1)" zur Zieldefinition und Erfolgskontrolle sei aus Sicht von Bio Austria in der derzeitigen Konzeption noch ungeeignet, hieß es unter Hinweis auf die Berechnungsmethode. Mit ihr würden natürliche Wirkstoffe in ihrem Risiko völlig überbewertet und chemisch-synthetische Pestizide in ihrem Gesamtrisiko deutlich unterschätzt. "Dieser Fehler im Verordnungsentwurf gehört behoben, damit die Kommission mit der SUR die Ziele erreicht, die sie anvisiert", betonte Obfrau Gertraud Grabmann.