Über die Wirkung des Mikrobioms im menschlichen Darm wird viel Gutes berichtet, es soll sich positiv auf diverse Prozesse im Körper auswirken. Gerät das Zusammenspiel von Mikroorganismen aus dem Gleichgewicht, so dürfte das auch negative Folgen für Körper bzw. für die Gesundheit haben.

Über ME/CFS hingegen wird weniger Gutes berichtet. Die Abkürzung steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. Die Symptome, die diese Erkrankung auslöst, sind vielfältig und auch in vielen Fällen sehr einschneidend – zu diesen gehören: Erschöpfung, Unwohlsein nach Belastung bzw. verringerte Belastungstoleranz, Schlafstörungen, kognitive Schwierigkeiten, Schmerzen oder auch Magen-Darm-Probleme.

Was die Erkrankung ursächlich auslöst, ist nach wie vor unbekannt, eine Rolle dürften vorangegangene virale oder bakterielle Infekte spielen. Aus diesem Grund wird auch ein Zusammenhang zwischen Covid-19 und ME/CFS vermutet. Denn eine Ausprägung von Long Covid ist eben ein massiver Erschöpfungszustand, der in der Symptomatik ME/CFS sehr ähnlich ist. 

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Mikrobiom als potenzieller Verursacher von ME/CFS

Nun haben sich zwei Studien dem Mikrobiom von ME/CFS-Betroffenen gewidmet. Beide Arbeiten – veröffentlicht im Fachjournal "Cell Host & Microbe" – haben Unterschiede in den Darm-Mikrobiomen von erkrankten im Vergleich zu gesunden Personen feststellen können. "Das Mikrobiom hat sich als potenzieller Verursacher von ME/CFS herausgestellt", sagt Vicky Whittemore von NIH (National Institues of Health). Aus den Erkenntnissen könne man künftig auch auf Biomarker in Bezug auf ME/CFS schließen. 

In der Studie, die Brent L. William als Erstautor verantwortet hat, wurde die Zusammensetzung des Darmmikrobioms von 106 ME/CFS-Betroffenen mit dem von 91 gesunden Personen verglichen. Es zeigten sich wesentliche Unterschiede in der Vielfalt, der Menge und der Wechselwirkungen des Mikrobioms. 

So wiesen ME/CFS-Betroffene signifikant niedrigere Levels verschiedener Bakterienarten auf, die eine wichtige Rolle beim Erhalt der Darmgesundheit spielen. Andererseits war auch auffallend, dass bei ME/CFS-Patienten, vermehrt Bakterien vertreten waren, die mit Autoimmunerkrankungen bzw. entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert werden.

Mikrobiom verändert sich im Verlauf der Erkrankung

Weitere Forschung ist zwar notwendig, diese Erkenntnisse legen aber nahe, dass künftig Biomarker für ME/CFS identifiziert werden können. Zum anderen könnte die Wiederherstellung des Gleichgewichtes des Mikrobioms eine mögliche Therapieform sein. "Der Standard" berichtete zuletzt über eine Long-Covid-Patientin (Post-virales Fatigue-Syndrom), bei welcher eine Darmsanierung zu einer Milderung der Symptome geführt hat.

In einer weiteren Studie wurde das Mikrobiom während verschiedener Stadien der Erkrankung untersucht. Das Team rund um Julia Oh (Jackson Laboratory, Farmington, USA) analysierte Daten dreier unterschiedlicher Gruppen: 194 Personen, die innerhalb der vergangenen vier Jahre mit ME/CFS diagnostiziert wurden, 75 Personen, die vor mehr als zehn Jahren mit ME/CFS diagnostiziert wurden und 79 gesunde Personen. 

Es zeigte sich, dass jene, die noch nicht so lange erkrankt waren, eine geringere mikrobielle Vielfalt aufwiesen. Die Langzeiterkrankten hingegen wiesen ein ähnlich individuelles Darmmikrobiom auf, wie die Personen der Kontrollgruppe.