Eine Therapie gegen Alzheimer sorgt aktuell für Diskussionen. Denn Studiendaten zeigen, dass das Präparat mit Namen Lecanemab das Fortschreiten einer Alzheimer-Erkrankung verlangsamen kann. "Diese Therapie ist ein Meilenstein in der Alzheimer-Forschung", sagt Frank Jessen bei einem Press-Briefing des Science Media Centers Deutschland. Jessen ist Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Alzheimer-Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Er fügt aber hinzu: "Bei Lecanemab handelt es sich nicht um ein heilendes Medikament, die Erkrankung schreitet weiter voran, allerdings deutlich verlangsamt."

Wie der Antikörper Lecanemab wirkt

Entwickelt wurde Lecanemab vom US-Pharmaunternehmen Biogen gemeinsam mit der japanischen Firma Eisai. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Antikörpertherapie. Im Fall von Alzheimer bilden sich im Gehirngewebe Ablagerungen. Diese bestehen aus einem Abbauprodukt eines körpereigenen Eiweißes. "Weil der Körper eines Alzheimer-Kranken diese Ablagerungen nicht als fremd erkennt, bildet er keine Antikörper gegen sie. Daher werden als Medikamente Antikörper entwickelt, die den körpereigenen Abwehrprozess anstoßen sollen", erklärt Walter Schulz-Schaeffer, Direktor des Instituts für Neuropathologie des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg.

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In die Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, waren 1795 Patientinnen und Patienten eingeschlossen, die ein Frühstadium von Alzheimer aufwiesen – das bedeutet, sie können den Alltag noch weitgehend selbstständig bestreiten. Über einen Zeitraum von 18 Monaten erhielten 898 das Antikörperpräparat, 897 erhielten ein Placebo. Die Substanz wurde alle zwei Wochen intravenös verabreicht, alle drei Monate wurde ein MRT-Scan bei den Probandinnen durchgeführt.

Rein statistisch sind die Ergebnisse signifikant. Laut der Studie konnte Lecanemab im Vergleich zur Kontrollgruppe die Amyloid-Marker reduzieren und den Abbau der kognitiven Fähigkeiten um 27 Prozent verlangsamen. Das entspricht einer Differenz von 0,45 Skalapunkten auf dem Clinical Dementia Rating. Dies bedeutet, dass das Medikament die Ablagerungen im Gehirngewebe reduzieren konnte, auch der Abbau der kognitiven Fähigkeiten verlangsamte sich. Überprüft wurde dies unter anderem am Orientierungsvermögen, der Problemlösungskompetenz sowie der Gedächtnisleistung.

Diskussion um Nutzen im echten Leben und Nebenwirkungen

In Expertenkreisen wird aber diskutiert, was die Daten, der qualitativ hochwertig gemachten Studie, für Patienten im echten Leben bedeuten. Von den 0,45 Punkten Unterschied auf der CDR-Skala würden die Patienten wohl kaum etwas bemerken, meint Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen. Er fügt aber hinzu: "Allerdings muss man da auch einen längeren Zeitraum bedenken. Wenn der Effekt persistiert, würde die Differenz über die Zeit noch weiter auseinandergehen und relevanter werden."

Der Nutzen der Medikation wird auch deswegen diskutiert, da in der Studie Nebenwirkungen aufgetreten sind. Auch über einen Todesfall wurde berichtet, der aber laut Unternehmensangaben auf andere gesundheitliche Probleme zurückzuführen sei. Die Studie beschreibt das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen von beispielsweise Hirnschwellungen und auch Ödeme. Allerdings, in den meisten Fällen wurden diese im MRT-Scan detektiert, ohne dass die Betroffenen Symptome aufgewiesen hätten.

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis wird nun in den Zulassungsverfahren bewertet werden. Die Unternehmen haben bereits bei der US-Arzneimittelbehörde FDA die bedingte Zulassung beantragt. Eine Entscheidung wird bis zum 6. Jänner erwartet. Die Firma Eisai, die bei der Entwicklung von Lecanemab federführend ist, will auf Grundlage der neuen Studiendaten nun eine vollständige Zulassung beantragen.