Für Christian Drosten ist diese Pandemie auf dem Sprung in die nächste Phase. Das gab er vor Kurzem in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" zu Protokoll. Die Dynamik der Wellen in schneller Abfolge sei ein Zeichen für das kommende Ende der Pandemie. Doch noch sind wir nicht ganz so weit. Wie sich die nächsten Monate gestalten werden, welche Varianten in Österreich unter Beobachtung stehen und was das alles für die Spitäler bedeutet.

Die Varianten

Beginnen wir mit den Varianten. "Im Moment sehen wir keine Variante, die sich global ähnlich rasant durchsetzen könnte, wie das bei Delta oder Omikron der Fall war", sagt Andreas Bergthaler. Bei uns sind laut dem Virologen (MedUni Wien und ÖAW) vor allem Untervarianten von BQ.1 auf dem Vormarsch, auf sie entfallen aktuell circa 30 Prozent der Neuinfektionen.

Im Grunde handelt es sich bei all den kursierenden Varianten um Omikron-Varianten. Ähnliche Mutationen treten je nach Variante in unterschiedlichen Zusammensetzungen auf. Einen Überblick zu behalten, ist für Laien schwer und eigentlich auch nicht zwingend notwendig. Denn die Krankheitslast verändert sich kaum.

Doch was bedeutet diese Vielfalt an Omikron-Varianten? "Der Druck für das Virus, den Antikörpern zu entkommen, ist entsprechend hoch", sagt Bergthaler. Dieser Druck äußert sich durch die zunehmende Immunität der Bevölkerung, die durch Impfungen und Infektionen entstanden ist. Studien zeigen, dass Omikron nicht per se mildere Verläufe verursacht, sondern, dass unser Immunsystem mithilfe von Antikörpern und T-Zellen auf diese Varianten reagieren kann. Für jene Menschen, die nicht zu Risikogruppen gehören würden, könnte man die Pandemie mehr oder weniger in den letzten Zügen sehen, so Bergthaler. Gesetzt den Fall, dass sich keine Variante durchsetzt, die den aufgebauten Immunschutz vollständig umgeht. Und schließlich ist auch noch Long Covid zu nennen, die Folgeerkrankung von Covid-19, gegen die noch keine effektive Therapie gefunden wurde. Auch, weil das Krankheitsbild sehr divers ist.

Das Infektionsgeschehen

Das Infektionsgeschehen bewegt sich aktuell auf eher niedrigem Niveau, die Herbstwelle hat ihren Höhepunkt mit rund 18.500 Neuinfektionen pro Tag schon Anfang Oktober überschritten. Aktuell liegt der Siebentagesschnitt bei 4236 (26.11.). Allerdings sind die absoluten Zahlen der Positiv-Testungen mit Vorsicht zu genießen, denn es wird weitaus weniger getestet, als das noch vor einigen Monaten der Fall war. Gerade weil die Einzeltests weniger werden, sei ein genereller Überblick über das Infektionsgeschehen notwendig. Das passiert unter anderem durch das nationale Abwassermonitoring, für das Bergthaler und sein Team für die Sequenzierungen verantwortlich zeichnen.

Zur aktuellen Situation sagt der Experte: "Es scheint, als hätten wir aktuell eine Talsohle erreicht." Er rechnet damit, dass die Zahlen bis zum Ende des Jahres wieder steigen werden. Diese fünfte Welle in diesem Jahr scheint von BQ.1-Untervarianten getrieben zu werden, wenngleich es eine Vielzahl an weiteren Varianten gibt, die genau beobachtet werden. BA.4/5 dagegen ist im Abnehmen begriffen.

Die Hospitalisierungsrate

Als Maßstab für Maßnahmen wurde in dieser Pandemie die drohende Überlastung der Spitäler, vor allem der Intensivstationen, herangezogen. In Bezug auf Covid-19-Patientinnen und -Patienten ist die Situation – wie auch in der Prognose von 22. November ausgewiesen wird – stabil. Mann sei "Jahreszeiten-typisch voll belegt", sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum. Erste Fälle von Influenza, andere Virusinfektionen und eben Covid-19 seien die Ursachen für die Einweisung. "Corona ist ein Teil davon, aber im Moment nicht dominierend", so Lamprecht. Ein Großteil der Patienten, die aktuell mit einem schweren Verlauf im Spital behandelt werden müssen, sind nicht gegen Sars-CoV-2 geschützt. Nicht geschützt, weil sie entweder schon infiziert waren oder auch geimpft sind, aber ein derart schwaches Immunsystem haben, dass sie im Falle einer Infektion dennoch schwer erkranken. Etwa Menschen, die an Krebs erkrankt sind und entsprechende Therapien verabreicht bekommen.

Lungenentzündungen werden etwa weniger häufig beobachtet. Für Lamprecht hängt dies mit dem fortgeschrittenen Immunisierungsgrad der Bevölkerung zusammen. "Wir können in Österreich und Deutschland davon ausgehen, dass ungefähr 97 Prozent der Bevölkerung immunisiert sind und dass es demzufolge nur noch einen kleinen Teil gibt, der ein sehr hohes Risiko trägt, schwer zu erkranken", so Lamprecht.

Ausschlaggebend zur Situation noch vor einem Jahr, als etwa Omikron sich ausgebreitet hat, ist das Übersetzungsverhältnis von Infektion in schwere Erkrankung. "Vor einem Jahr hatten wir in Oberösterreich 123 Covid-19-Intensivpatienten, heute sind es sechs und das bei einem weiterhin dynamischen Infektionsgeschehen." Maßgeblich zu diesem Unterschied habe die Impfung beigetragen, sagt Lamprecht. Auch die Gabe von Antikörpern habe bei Hochrisikopatienten geholfen. Ebenso haben Medikamente wie Paxlovid, wenn sie rechtzeitig eingesetzt werden, geholfen, schwere Verläufe zu reduzieren und so die Stationen zu entlasten.

Die Schutzmaßnahmen

Zwei Punkte sollte man in der pandemiebedingten Entspannung nicht vergessen – darin sind sich die Experten einig: Die vulnerablen Gruppen, für die die Pandemie eben nicht vorbei ist. Und Long Covid, das Menschen über Monate zum Teil schwer gesundheitlich beeinträchtigen kann. Aus diesem Grund sind Schutzmaßnahmen auch weiterhin eine gute Idee. Der Unterschied zu den vorangegangenen Phasen der Pandemie ist aber, dass die Wahl dieser Vorkehrungen zumeist in der persönlichen Verantwortung liegt.

Das bedeutet: Man kann darauf achten, dass man seinen Impfschutz gemäß der Empfehlung des Nationalen Impfgremiums aktuell hält. Denn die Impfstoffe, die wir zur Verfügung haben, schützen weiterhin sehr effektiv vor schwerer Erkrankung bzw. Tod. Man kann in Situationen, in denen viele Menschen auf engen bzw. in geschlossenen Räumen zusammentreffen, Maske tragen. So kann man das Risiko einer Ansteckung minimieren.

Das Fazit

Zusammengefasst bedeutet das, dass sich die Pandemie in der Übergangsphase in die Endemie befindet. "Wir können wohl davon ausgehen, dass es im Winter bzw. in den kälteren Jahreszeiten weitere Infektionswellen geben wird", sagt Bergthaler. Diese werden sich jedoch in den Inzidenzzahlen nur bedingt widerspiegeln, denn es wird nicht mehr so exzessiv getestet. Aber im Hinterkopf ist immer zu behalten: Diese Einschätzung basiert auf jenen Varianten, die aktuell bekannt sind. Setzt sich eine Variante gänzlich abseits von Omikron durch, kann sich diese Einschätzung ändern. "Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Ich würde aber nicht die Hand ins Feuer legen, dass wir es in den nächsten sechs Monaten weiterhin ausschließlich mit Omikron-Untervarianten zu tun haben werden."

Lamprecht sieht dies ähnlich. Kommen wir durch diesen Winter ohne einschneidende Maßnahmen, wie etwa Kontaktreduktionen, dann habe man seiner Ansicht nach den Übergang von der Pandemie zur Endemie geschafft. "Wenn wir diesen Winter mit doch dynamischen Coronainfektionen und einer Grippewelle passabel meistern, dann denke ich, können wir das Häkchen unter Corona setzen."