Die Art der Entbindung – also wie ein Kind auf die Welt kommt – hat offenbar Einfluss auf das Mikrobiom. Mikrobiom hat sich als Begriff für die Gemeinschaft aller Mikroorganismen durchgesetzt, die in einem bestimmten Bereich des Körpers vorkommen. Ein solcher Bereich ist zum Beispiel die Haut oder auch der Mund. Aber das gilt nicht nur für den menschlichen Körper. Egal ob Biene, Eidechse oder Grashalm, alles hat sein Mikrobiom. Wie groß die Rolle des Mikrobioms ist, ist von Organismus zu Organismus verschieden. Besonders wichtig ist für den Menschen das Mikrobiom im Darm. Zu dessen Auswirkungen auf die Gesundheit wird weltweit geforscht.
Mit dem Einfluss der Entbindungsart auf das Mikrobiom geht auch ein Einfluss auf die Immunogenität von Kinderimpfungen einher. Das heißt, die Art, wie ein Baby zur Welt gebracht wurde, hat Auswirkungen darauf, wie hoch Impfantworten ausfallen. Zu diesem Schluss kommen Forschende aus den Niederlanden, die insgesamt 120 gesunde Babys nach einer Meningokokken- oder Pneumokokkenimpfung auf ihre Antikörperreaktion und die Zusammensetzung der Darmbakterien untersucht haben. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.
Untersuchung des Darmmikrobioms
"Klar ist: Ohne Mikrobiom kann man nicht leben", sagt Martin Grassberger. Der Mediziner und Biologe setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema auseinander. "Der Mensch braucht sein Mikrobiom für die meisten Prozesse, die im Körper ablaufen. Es zerlegt Moleküle, baut Vitamine und kurbelt den Stoffwechsel an. Wer seine Mikroorganismen gesund hält, schützt sich so auch vor vielen chronischen Erkrankungen."
Die Forschenden in den Niederlanden untersuchten innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate das Darmmikrobiom – also die Gemeinschaft der Mikroorganismen im Darm – von Babys, die entweder vaginal oder per Kaiserschnitt geboren wurden. Das komplexeste und größte Mikrobiom des Menschen ist jenes im Darm. Dieses wird schon in den ersten Lebensjahren stark geprägt. Je vielfältiger dieses Mikrobiom ist, desto gesünder ist man. "Heute wissen wir, dass der Darm zentral für den gesamten Körper ist. Er beeinflusst beispielsweise auch die psychische Gesundheit. Außerdem liegen zwei Drittel des Immunsystems im Darm", sagt Grassberger.
Untersuchung der Impfantwort
Zusätzlich analysierten die Forscherinnen anhand des Speichels der Kinder die Immunglobulin-G (IgG) Antikörperreaktionen der beiden Impfstoffe, entweder zwölf oder 18 Monate nach der Geburt. Die Autorinnen und Autoren beobachteten, dass die Höhe der IgG-Antikörper als Indikator für die Impfantwort gegen beide Krankheitserreger nach einer Vaginalgeburt stärker ausfällt als nach einem Kaiserschnitt. Ein erhöhter Gehalt der Bakterien Bifidobacterium und Escherichia coli im Darmmikrobiom, der bei einer vaginalen Geburt gegenüber einem Kaiserschnitt bestand, passte mit einer höheren IgG-Antikörperreaktion nach einer Pneumokokkenimpfung zusammen.
Auswirkungen der Erkenntnisse
Dass das Darmmikrobiom um den Zeitpunkt der Impfung eine Rolle bei der Immunreaktion auf die Impfung spielt, wurde schon mehrfach beobachtet. Die aktuelle Studie konnte jedoch erstmals einen Hinweis liefern, dass schon die Entwicklung des Darmmikrobioms in der frühen Kindheit die Voraussetzungen für eine robuste Immunantwort auf Impfungen im Kindesalter schaffen kann. Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie am Universitätsklinikum Frankfurt, meint zu den Studienergebnissen: "Diese Erkenntnis ist sehr relevant, da die Zahl der Kaiserschnitte in den Industrienationen sehr hoch ist. Sollte sich diese Erkenntnis durch weitere Analysen festigen lassen, wären Mikrobiota-basierte Supplementierungsansätze gegebenenfalls aussichtsreich."
Dass Impfstoffe aufgrund der neuen Erkenntnisse angepasst werden sollten, denkt die Expertin nicht: "Ich denke nicht, dass eine Veränderung der Impfstoffe selbst die Konsequenz dieser Studie sein wird. Vielmehr sehe ich hier Potenzial für die Entwicklung von Mikrobiota-basierten Therapien, die in der Phase der Immunreifung der Neugeborenen gegeben werden können, um später ein optimales Impfergebnis zu erzielen."