Elektroden-Implantate im Rückenmark erlauben querschnittgelähmten Patienten auf Rollatoren gestützt zu gehen, indem sie Rumpf und Beinmuskeln aktivieren, wie ein Ärzte- und Forscherteam kürzlich berichtete. Für diesen Genesungserfolg sind Nervenzellen im Rückenmark nötig, die man sonst nicht zum Gehen braucht, fanden die Wissenschaftler nun bei Versuchen mit Mäusen heraus. Die mit österreichischer Beteiligung durchgeführte Studie ist im Fachjournal "Nature" erschienen.
Das Team um Grégoire Courtine von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) Lausanne und dem Universitätsspital Lausanne (Schweiz) untersuchte bei Mäusen, welche Nervenzellen (Neuronen) für solch eine Besserung entscheidend sind. Mithilfe eines Computeralgorithmus namens "Augur" fanden die Forscher Neuronen, die sich nach Verletzungen des Rückenmarks und Elektrostimulation verändern. Es handelt sich dabei um stimulierende (exzitatorische) Nervenzellen, die sich durch die Aktivität von zwei Genen namens VSX2 und HOXA10 auszeichnen, berichten sie.
Auch beim Menschen schon erfolgreich
Diese "VSX2-HOXA10-Rückenmarksneuronen" werden normalerweise nicht zum Gehen gebraucht, wie die Forscher ebenfalls bei den Mäusen herausfanden. Für das elektrostimulierte Bewegen der Beine nach einer Rückenmarksverletzung sind sie hingegen essenziell. An der Studie hat auch Karen Minassian vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Medizinischen Universität Wien mitgewirkt.
Auch bei Menschen wurden schon erste Erfolge vermeldet: Seit einem Sturz mit dem Motorrad ist der Italiener Michel Roccati komplett querschnittgelähmt. Vier Jahre nach dem Unfall setzte die Schweizer Chirurgin Jocelyne Bloch Elektroden-Implantate in sein Rückenmark ein. Sie stimulieren gezielt die Rumpf- und Beinmuskeln und ermöglichen ihm aufzustehen sowie auf einen Rollator gestützt zu gehen.
Sowohl die Elektroden als auch die Stromreize von den Impulsgebern wurden genau auf den jeweiligen Probanden angepasst. "Alle Patienten konnten damit sofort aufstehen und gehen", erklärt das Forscherteam bei einer Online-Pressekonferenz. Allerdings benötigten sie vorerst Stützgeländer und Rollatoren als zusätzliche Hilfe, weil ihre Beine das Körpergewicht nicht vollständig tragen konnten.