Essstörungen sind komplexe Erkrankungen. Es gibt nicht die eine einzige Ausprägung, wie sich diese bei Patientinnen und Patienten zeigen. Und es gibt auch nicht die eine Ursache, die den Krankheitsbildern der Anorexie oder der Bulimie zugrunde liegen. Die Auslöser können, so erklärt es Nina Baumgartner, von Patientin zu Patient ganz unterschiedlich sein. Baumgartner ist Leiterin von LeLi, einem Tageszentrum für Menschen mit Essstörungen in Graz-Reininghaus. "Wir nehmen Essstörungen als Schutzstrategien wahr, die verwendet werden, wenn Menschen in emotionale Not geraten." Der rote Faden sei Baumgartners Erfahrung nach das beherrschende Gefühl, nicht richtig zu sein. "Viele Teilnehmerinnen denken, dass sie nicht so sein dürfen auf dieser Welt, dass sie anders sein sollten."

Einen gesunden Umgang mit Ernährung zu finden, ist das Ziel, das die Therapeutinnen mit ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern verfolgen. Und das zu großen Teilen gemeinsam. Das ist für Baumgartner einer der augenscheinlichsten Unterschiede zwischen einer Therapie in einem Tageszentrum und einer in einem Spital bzw. einer Reha-Klinik.

Gemeinsame Aktivitäten als Schlüssel

Und so wird der Tag etwa mit einem gemeinsamen Frühstück gestartet. Dabei wird nicht nur gegessen, sondern auch das Essen zubereitet. Selbes gilt auch für das gemeinsame Mittagessen. Es gibt eine Tagesstruktur, man kann Verschiedenstes ausprobieren, etwa Musiktherapie. Auch das Hochbeet wurde gemeinsam bepflanzt. "Es geht darum, zu erkennen, was mir gerade guttut." Das bedeutet aber nicht, dass die Teilnehmerinnen jeden Tag kommen müssen. "Manche sind nur einmal pro Woche bei Gesprächsrunden."

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Zu Gesprächsrunden können auch Angehörige ins hell und freundlich gestaltete LeLi kommen. Das ist umso wichtiger, als Essstörungen während der Pandemie zugenommen haben und so mehr Menschen mit diesen Krankheitsbildern in Berührung kommen. "Wir versuchen zu vermitteln, dass der Heilungsprozess in kleinen Schritten voranschreitet und dass eine Essstörung eine ernst zu nehmende Krankheit ist."
Bei welchen Anzeichen sollten Angehörige hellhörig werden? Ein Hinweis könne sein, wenn jemand augenscheinlich eine Diät mache, aber dies verneine. Auch starke Gewichtszunahme bzw. -abnahme können Anlass sein, vorsichtig nachzufragen: "Wie geht es dir eigentlich im Moment?" Um sich dann, wenn notwendig, professionelle Unterstützung zu holen.