In Österreich erhalten laut Experten viel zu wenige Sars-CoV-2-Infizierte eine frühe Behandlung mit Paxlovid, um schwere Covid-19-Krankheitsverläufe zu verhindern – wir haben hier darüber berichtet. Das entspricht nicht der wissenschaftlichen Evidenz. Vor wenigen Tagen hat das unabhängige deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG/Berlin) dem Arzneimittel "erheblichen Zusatznutzen" zugestanden.
Das deutsche IQWiG wurde 2004 auf gesetzlicher Grundlage gegründet. Es handelt sich um eine unabhängige Stiftung. Finanziert werden die Beurteilungen von neuen Therapien und Medikamenten auf Effekt und Wirtschaftlichkeit durch die gesetzliche deutsche Krankenversicherung. Dementsprechendes Gewicht haben die Bewertungen der Institution. Jetzt liegt die Nutzenbewertung für Paxlovid vor.
Risiko für schweren Covid-19-Verlauf wird gesenkt
"Die Kombination der Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir (Paxlovid; Anm.) ist seit Jänner 2022 zugelassen zur Behandlung von Covid-19 bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob die als Paxlovid bekannte Substanz diesen besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie 'Therapie nach ärztlicher Maßgabe' bietet. Danach sinkt durch die Einnahme der Wirkstoff-Kombination das Risiko, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln, intensivmedizinisch betreut zu werden oder sogar an Covid-19 zu versterben", teilte das IQWiG mit.
Die Bewertung basierte auf vom US-Pharmakonzern Pfizer übermittelten Daten aus der sogenannten EPIC-HR Studie. In sie waren nicht hospitalisierte, symptomatische Patientinnen und Patienten in der Frühphase von Covid-19 aufgenommen worden, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf hatten. "Als Risikofaktoren dafür galten: Übergewicht, ein Alter von mehr als 60 Jahren, die Einnahme von immunschwächenden Medikamenten, Zigarettenkonsum oder das Vorliegen von spezifischen Vorerkrankungen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus (Typ 1 oder 2) oder chronische Lungenerkrankungen", schrieb das Institut in seiner Zusammenfassung.
Insgesamt handelte es sich bei den Probanden um 1908 Personen, von denen 944 mit Nirmatrelvir/Ritonavir versorgt wurden, 964 der Studienpatienten erhielten hingegen ein Placebo. Fazit: "Im Interventionsarm (Paxlovid-Gruppe) der Studie war 28 Tage nach Symptombeginn niemand verstorben, im Vergleichsarm gab es hingegen 15 Todesfälle (1,6 Prozent der Patientinnen und Patienten). Auch die Zahl der schweren Covid-19-Verläufe war bei Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir deutlich geringer: Zehn (1,1 Prozent) schweren Covid-19-Verläufen im Interventionsarm stehen hier 60 (6,2 Prozent) im Vergleichsarm (Placebo; Anm.) gegenüber. Intensivmedizinisch betreut werden musste in der Nirmatrelvir/Ritonavir-Gruppe keine Patientin bzw. kein Patient, in der Placebo-Gruppe waren es neun (0,9 Prozent)." Zu einer Linderung der Symptome kam es bei einer Therapie mit Nirmatrelvir/Ritonavir nach durchschnittlich 16 Tagen, ohne Paxlovid erst nach 20 Tagen.
Wie Paxlovid bei Ungeimpften wirkt
"In der Gesamtschau sieht das IQWiG für Erwachsene mit Covid-19, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Covid-19-Verlauf zu entwickeln, einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen von Nirmatrelvir/Ritonavir gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie 'Therapie nach ärztlicher Maßgabe'", stellte das Institut fest.
"Bei ungeimpften Covid-19-Risikopatienten, die erst seit wenigen Tagen symptomatisch und noch nicht schwer erkrankt sind, hatte Paxlovid in der Studie eine vielversprechende Wirkung", wurde der Leiter der Nutzenbewertung, Jürgen Windeler, zu den Ergebnissen in einer Aussendung des Instituts zitiert. Es gibt aber auch Einschränkungen: Weil alle Probanden ungeimpft waren, ist nicht bekannt, wie sich Paxlovid im Falle einer Erkrankung von bereits Immunisierten bewährt und wie groß der Nutzen dann ist. Auf der anderen Seite waren keine Personen in die Studie aufgenommen worden, die zum Beispiel sehr schwere und komplexe Vorerkrankungen bzw. Risikosituationen aufwiesen. Schließlich muss eine Paxlovid so bald als möglich nach einer Infektion und unter Berücksichtigung potenzieller Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erfolgen.