Zunehmend hat man in dieser Pandemie das Gefühl, die Themen wiederholen sich. Im dritten Pandemiejahr wird wieder einmal über die Wirksamkeit von Masken diskutiert. Und auch das Risiko von Herzproblemen nach einer Impfung ist immer wieder Gesprächsthema. Grundsätzlich ist es immer zu begrüßen, wenn neue, wissenschaftliche Erkenntnisse breit diskutiert werden. Denn auch wissenschaftliche Erkenntnisse können aufgrund neuer Methoden oder umfangreicherer Daten erweitert oder revidiert werden.
In Bezug auf Herzkreislauferkrankungen gibt es eine aktuelle Untersuchung, die vor allem in sozialen Medien für Diskussionsstoff sorgt. Das war auch am vergangenen Wochenende zu beobachten, als Matthias Strolz, Gründer von Neos, diese Daten auf Twitter teilte. Unter seinem Tweet wurde heftig über die Daten debattiert – mit dem Ergebnis, dass Strolz seinen Tweet gelöscht hat.
Im Ausgangstweet schrieb Strolz: "Heftig. '84 % increase in the relative incidence of cardiac-related death among males 18-39 years within 28 days following #mRNA vaccinaction.' Harte empirische Evidenz. #COVID19" Doch ist dies wirklich so? Gibt es in dieser Untersuchung "harte empirische Evidenz" für einen Anstieg von Todesfällen 28 Tage nach einer mRNA-Impfung, die mit Herzproblemen in Verbindung stehen?
Die Lücken der Studie
Die kurze Antwort lautet: Nein. Die Begründung dafür liegt in der geringen Qualität dieser wissenschaftlichen Arbeit. Durchgeführt wurde sie vom "Florida Department of Health", vereinfacht übersetzt das Gesundheitsamt des Bundesstaates Florida. Die Studie wurde bislang in keinem Fachjournal veröffentlicht und ist aus diesem Grund auch noch keinem peer review unterzogen worden. Das bedeutet, dass die Arbeit noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde. Zudem, und das ist sehr unüblich, wurden auch keine Autoren oder Autorinnen angeführt.
Die Untersuchung kommt also, wie oben angeführt, zu dem Schluss, dass es binnen 28 Tage nach einer mRNA-Impfung zu einer Steigerung der Todesfälle in Verbindung mit Herzproblemen kommt. In der Studie wird der Terminus "cardiac-related death" verwendet. Doch dieser Begriff bezieht sich nicht auf eine bestimmte bzw. mehrere genau definierte Diagnosen, sondern ist sehr breit zu verstehen. Es stellt sich also die Frage, auf welcher Basis hier eine konkrete Aussage getroffen bzw. ein konkretes Risiko abgeschätzt werden soll.
Zahlreiche Fachleute haben auf Twitter diese Studie bewertet, wer sich in Details verlieren möchte, hier eine Argumentation zum Nachlesen:
Covid-Impfungen können Reaktionen und Nebenwirkungen hervorrufen
Die Covid-Impfungen, die auf der mRNA-Technologie basieren, können Impfreaktionen und auch Nebenwirkungen verursachen. Das ist bekannt, wird dokumentiert und untersucht – wir haben etwa hier darüber berichtet. Vor allem das Risiko von Herzmuskelentzündungen ist erhöht, das ist seit Längerem bekannt und auch in mehreren Studien belegt. Um diesem Risiko zu begegnen, wird in Österreich der Impfstoff von Moderna nicht mehr an Personen unter 30 Jahren verimpft.
Daten dazu gibt es etwa in einer Studie des Karolinska Instituts in Stockholm. Im Rahmen dieser wurden Daten von 23 Millionen Menschen analysiert (veröffentlicht in Jama Cardiology). Das Ergebnis: Das höchste Risiko haben im Vergleich aller Gruppen junge Männer zwischen 16 und 24 Jahren nach der zweiten Impfung. Unter jungen Männern, die zwei Dosen des gleichen Präparats erhielten, gab es bei Moderna 9 bis 28 zusätzliche Fällen pro 100.000 Geimpften binnen 28 Tagen nach der zweiten Dosis. Beim Biontech-Pfizer-Impfstoff seien es vier bis sieben Fälle mehr gewesen als ohnehin auch ohne Impfung zu erwarten sei, berichtet orf.at. Todesfälle gab es bei Menschen unter 40 im Rahmen der Studie keine, der klinische Verlauf war in der Regel mild.
Das Risiko einer Infektion
Möchte man also eine Nutzen-Risiko-Bewertung treffen, muss auch das Risiko einer Myokarditis (Anm. Herzmuskelentzündung) nach einer Covid-Infektion einkalkulieren. Und dieses ist in jeder Altersklasse sehr viel höher als das Risiko einer Myokarditis durch Impfung mit einem mRNA-Vakzin. Eine Studie, die 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hat die Risiken der Infektion möglichen Nebenwirkungen der Impfung gegenübergestellt. Untersucht wurden Daten von über zwei Millionen Personen aus Israel. Hier zeigte sich ein Risiko von elf pro 100.000 Menschen statt 2,7 pro 100.000 durch die Impfung.