Eine Corona-Infektion hinterlässt bei vielen Menschen auch nach Monaten noch gesundheitliche Spuren. Sie leiden deutlich häufiger an einem chronischen Erschöpfungssyndrom als Menschen, die keinen Kontakt zu dem Virus hatten, wie eine am Mittwoch in "The Lancet" veröffentlichte Untersuchung der Berliner Charité und der Uniklinik Schleswig-Holstein (UKSH) zeigt.
"Langanhaltende chronische Erschöpfung nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist durchaus ein häufiges und relevantes Problem. Die Erkrankung ist mit großem persönlichen Leidensdruck verbunden, führt zu Ausfällen am Arbeitsplatz und stellt eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem dar", sagte Carsten Finke von der Klinik für Neurologie der Charité.
Mehr als doppelt so häufig
Nach Angaben der Wissenschafter gab es bisher keine zuverlässigen Zahlen für die Häufigkeit von Spät- und Langzeitfolgen wie chronische Erschöpfung nach Covid-19. Das Forschungsteam um Finke und Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie der UKSH, wertete für die Untersuchung Daten von rund 1.000 Patienten aus, deren Infektion mindestens sechs Monate zurücklag. Verglichen wurde dies mit einer Gruppe von rund 1.000 Menschen ohne vorangegangene Infektion, deren Daten für eine Bevölkerungsstudie der Universität Leipzig vor der Pandemie zusammengetragen worden waren.
Das Ergebnis: Fast ein Fünftel der zuvor Coronainfizierten wies relevante Symptome für ein chronisches Erschöpfungssyndrom auf, im Gegensatz zu nur acht Prozent in der Vergleichsgruppe. Chronische Erschöpfung kommt demnach auch Monate nach einer Infektion mehr als doppelt so häufig vor wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung, schlussfolgern die Experten. Besonders betroffen sind jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. Geistige Beeinträchtigungen wurden eher bei Männern ab 55 Jahren beobachtet. Insgesamt zeigten sich diese bei 27 Prozent der Untersuchten. "Wir hatten im direkten Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung keine so hohen Zahlen und keinen so deutlichen Unterschied erwartet", sagte Finke.
Als Risikofaktoren für das spätere Auftreten von Fatigue machten die Wissenschafter neurologische Beschwerden während der akuten Covid-Erkrankung aus. Sie wollen nun der Frage nachgehen, ob die kognitiven Defizite dauerhaft bestehen bleiben, oder ob sie sich zurückbilden. "Die aktuellen Daten geben erste Hinweise darauf, dass das chronische Erschöpfungssyndrom weniger stark ausgeprägt ist, je länger die Erkrankung zurückliegt", sagt Maetzler.