Wegen des Rückgangs der Testungen orten Wissenschaftler bei den gemeldeten Corona-Fallzahlen in Österreich "zunehmende Verzerrungen" zur tatsächlichen Zahl der Fälle. Die Prognose-Experten im Auftrag des Gesundheitsministeriums verzichteten daher am Mittwoch erstmals auf eine zahlenmäßige Prognose der Neuinfektionen für die kommende Woche. Sowohl bei den gemeldeten als auch bei den tatsächlichen Infektionen dürfte sich aber der Rückgang fortsetzen, ebenso bei den Spitalszahlen.
Die Modellrechner von TU Wien, MedUni Wien und Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) gehen "davon aus, dass die Dynamik der gemeldeten Fallzahlen das gegenwärtige Infektionsgeschehen nicht repräsentativ widerspiegelt", heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Vorschau. Ähnliches hatten die Wissenschaftler schon in den vergangenen Wochen betont, die Situation wird aber noch unsicherer, da die Aufhebung der Quarantäne ab Anfang August "das Testverhalten in der Prognoseperiode zusätzlich beeinflussen" kann. "Aus diesem Grund wird auf eine quantitative Darstellung der gemeldeten Fallzahlen verzichtet und stattdessen der Fokus auf eine qualitative Einschätzung ihrer Trends gelegt."
"Jedenfalls kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass es eine stabile Relation zwischen den gemeldeten Infektionszahlen und der tatsächlichen Infektionsdynamik gibt", schreiben die Fachleute. Dies zeige sich auch an der Entkoppelung der Daten aus EMS, Spitalsbelag und den Abwasseranalysen – siehe Darstellung.
Rückläufiger Trend zu beobachten
In dieser Einschätzung mit dem Verzicht auf genaue Zahlen wird betont, dass der Spitalsbelag, Abwasseranalysen, sowie die Dynamik der gemeldeten Positivtestungen quer durch alle Altersgruppen in den vergangenen Tagen rückläufig waren. Daher könne auch bei den gemeldeten Neuinfektionen von einem rückläufigen Trend ausgegangen werden. Kurzfristig würden auch "keine wesentlichen epidemiologischen Trendänderungen aufgrund des Quarantäne-Aus erwartet". Die Infektionsdynamik werde nach wie vor von saisonalen Effekten sowie von reduzierten Sozialkontakten durch die Ferienzeit gebremst.
Spitalszahlen
Ein genaueres Abbild des Pandemiegeschehens in Österreich bieten wie zuletzt die Spitalszahlen. Deren Rückgang sollte sich ebenfalls fortsetzen, aber nicht "das Ausmaß des rezenten Abfalls der gemeldeten Fallzahlen" erreichen, betonten die Experten. Im Bereich der Normalpflege wird mit Ende der zweiwöchigen Prognoseperiode am 17. August österreichweit ein Belagsstand im Bereich von 777 bis 1240 belegten Betten erwartet, mit einem Mittelwert von 981 Betten. Am gestrigen Dienstag waren es noch 1461 Covid-19-Patienten auf Normalstationen. Auf den Intensivstationen dürfte die Auslastung im gleichen Zeitraum von 86 auf 50 bis 83 (Mittelwert 65) zurückgehen.
Prognose von 2. August 2022
Forderung nach neuem Surveillance-System
Auch in den kommenden Prognosen wird laut dem Prognosekonsortium auf eine Vorschau der gemeldeten Fallzahlen verzichtet. Die Prognose des Spitalsbelags werde zudem laufend an die aktuelle Datenlage angepasst. "Die Etablierung eines nicht- oder nur gering-invasiven Surveillance-Systems, welches nicht mehr von subjektiven Faktoren wie der Testbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher abhängig ist, stellt dabei einen wesentlichen Beitrag zur künftigen Messung der Ausbreitungsdynamik sowohl als Grundlage für Prognosen als auch zum Zwecke der Einschätzung der Risikosituation dar", empfahlen die Wissenschaftler.