Humane Milch-Oligosaccharide (HMO) sind bioaktive Mehrfachzucker, die in der Muttermilch vorkommen. Am besten erforscht ist ihr Beitrag zur Entwicklung einer gesunden kindlichen Darmflora, da HMO durch das Stillen in den Magen-Darm-Trakt des Kindes aufgenommen werden. Darüber hinaus wurden sie schon früh in der Schwangerschaft im Blutkreislauf der Mutter nachgewiesen, weswegen sie bereits vor der Geburt eine wichtige Rolle für Mutter und Kind spielen.

In einer kürzlich publizierten Arbeit konnten Forscherinnen und Forscher der Med Uni Graz zeigen, dass Veränderungen des mütterlichen Zuckerstoffwechsels durch Schwangerschaftsdiabetes mit Veränderungen des HMO-Profils im Blut einhergehen. Das Team geht nun der Frage nach, ob das auch Auswirkungen auf Nabelschnurblut und plazentare Blutgefäßbildung hat.

Folgen erhöhter mütterlicher Blutzuckerwerte

Bei Schwangerschaftsdiabetes handelt es sich um eine erstmals in der Schwangerschaft auftretende Störung des mütterlichen Zuckerstoffwechsels. Sie betrifft bis zu zehn Prozent aller Schwangerschaften und ist durch erhöhte mütterliche Blutzuckerwerte gekennzeichnet. Schwangerschaftsdiabetes kann zu akuten und langfristigen Folgen für die Gesundheit der Mutter und des Kindes führen.

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Wie bei anderen Formen von Diabetes kann der erhöhte Blutzucker die Funktion der Blutgefäße und der Zellen, die diese auskleiden (Endothelzellen), beeinflussen. Die Plazenta entsteht zu Beginn der Schwangerschaft und entwickelt sich kontinuierlich. Sie transportiert Sauerstoff, Nährstoffe und auch HMO zum Kind und führt Abfallprodukte ab. Dabei wird ihr Blutgefäßsystem stetig erweitert und umgestaltet, grundlegend hierfür ist unter anderem eine umfangreiche Blutgefäßneubildung (Angiogenese). Mütterliche Stoffwechselstörungen wie z. B. Schwangerschaftsdiabetes können Prozesse der Angiogenese beeinflussen und folglich zu strukturellen Veränderungen im Blutgefäßsystem der Plazenta führen.

Funktion im mütterlichen und kindlichen Kreislauf

An der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Med Uni Graz erforscht Evelyn Jantscher-Krenn das Vorkommen, die Funktion und den Einfluss von HMO auf Mutter und Kind. In einer früheren Studie konnten die Forscherin und ihre Kolleginnen bzw. Kollegen zeigen, dass HMO bereits in der Schwangerschaft im mütterlichen Kreislauf nachweisbar sind. Sie gelangen über die Plazenta in das kindliche Blut, woraus sich Fragen rund um ihre Bedeutung für die Blutgefäße der Plazenta ergeben. Ihre Zusammensetzung ist individuell unterschiedlich und ähnelt jener in der Muttermilch, sie ist abhängig von genetischen Faktoren, der Schwangerschaftswoche sowie der Stoffwechsellage der Mutter.

Die Forscherinnen und Forscher konnten bereits zeigen, dass in einer Gruppe von übergewichtigen und adipösen Frauen diejenigen, die Schwangerschaftsdiabetes entwickelten, erhöhte Konzentrationen eines bestimmten HMO, der 3’Sialyllaktose (3’SL), aufwiesen. "Wir gehen der Frage nach, ob Schwangerschaftsdiabetes auch zu veränderten HMO im kindlichen Kreislauf führen kann und welche Effekte die Mehrfachzucker auf die Zellen der Plazenta haben", so Evelyn Jantscher-Krenn.

Effekte auf Plazenta?

In einer neuen, kürzlich veröffentlichten Studie untersuchte das Forschungsteam die Zusammensetzung und Konzentration von HMO im kindlichen Nabelschnurblut nach der Entbindung. Dabei wurden die Studienteilnehmerinnen in zwei Gruppen unterteilt: Mütter nach unkomplizierten Schwangerschaften mit normalem Zuckerstoffwechsel und Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes. Die Konzentration von 3’SL im kindlichen Nabelschnurblut war nach Schwangerschaftsdiabetes signifikant erhöht, was zeigt, dass ein veränderter mütterlicher Stoffwechsel auch zu veränderten HMO-Konzentrationen im kindlichen Blutkreislauf führt.

Weiters wurde der Einfluss von HMO auf die Angiogenese der Plazenta untersucht. Dazu wurden Endothelzellen aus der Plazenta nach gesunden Schwangerschaften gewonnen und der Prozess der Angiogenese in-vitro unter Beigabe von HMO analysiert. Dies umfasste die Re-Organisation der Zellform, die Bewegung der Zellen, die Fähigkeit, sich zu teilen und zu vermehren, sowie die Bildung von Sprossen. Sowohl ein Pool verschiedener HMO als auch 3’SL allein stimulierte die genannten Schritte der Angiogenese in-vitro.

"Möglicherweise kommt es im Rahmen des Schwangerschaftsdiabetes zu einer Anpassung der HMO-Zusammensetzungen, welche die Gefäßneubildung in der Plazenta stimulieren, um damit die kindliche Versorgung sicherzustellen. Sollten diese Effekte auf plazentare Blutgefäßzellen auch in-vivo zutreffen, könnten HMO eine wichtige Rolle für die Regulation der Angiogenese für Mutter, Plazenta und Kind haben – auch in der gesunden Schwangerschaft", so die Forscherin. Zukünftig wollen sie herausfinden, welche Mechanismen dem Einfluss von HMO auf die Blutgefäßbildung zugrunde liegen.