Die jüngsten Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 lassen die Zahl der Neuinfektionen wieder ansteigen. Doch was bedeutet diese sich anbahnende Sommerwelle für die Impfkampagne? Oder auf der persönlichen Ebene gefragt: Brauche ich einen vierten Stich? Und wenn ja, wann? Ein Überblick über den Status quo der Impfempfehlungen.
1 Wir sehen diesen Sommer ein höheres Infektionsniveau als in den vorangegangenen. Wer sollte sich jetzt den vierten Stich holen?
ANTWORT: Eine ganz einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht, da in Bezug auf die Immunität immer mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Aber Personen über 60 Jahre, bei welchen die dritte Impfung schon mehr als vier Monate zurückliegt, sollten sich jetzt eine vierte Dosis abholen. Denn für acht bis zwölf Wochen nach der Impfung ist man auch sehr gut vor einer Infektion geschützt. Das spielt eine Rolle, da das Sterberisiko mit dem Alter ansteigt. Zwar gibt es aufgrund der ausgeprägten BA.2-Welle, die in Österreich viele Menschen Anfang des Jahres erfasst hat, eine gewisse Immunität gegen BA.5, aber nichtdestotrotz ist diese Variante vor allem für Risikopatienten bedrohlich. "Dazu gehören eben die Älteren, aber auch schwer übergewichtige Personen ebenso wie Diabetiker, Menschen mit Asthma oder auch schweren Herzerkrankungen", erklärt Dorothee von Laer, Virologin an der Med Uni Innsbruck. "Wer ein Risiko trägt und zusätzlich auch viel unter Menschen ist, sollte sich unbedingt jetzt den vierten Stich holen." Für Risikogruppen wird dies auch vom Nationalen Impfgremium empfohlen.
2 Was ist mit Personen, die dreimal geimpft sind und eine Infektion durchgemacht haben – ist bei ihnen sofort eine vierte Impfung notwendig?
ANTWORT: Eine Infektion sei als weiteres immunologisches Ereignis zu werten, erklärt von Laer. Besonders wenn eine Infektion mit Omikron durchgemacht wurde, die Erkrankung also nicht so lange zurückliegt, ist eine sofortige vierte Impfung nicht notwendig, denn der Schutz vor einer schweren Erkrankung ist gegeben. Personen, die geimpft und genesen sind, könnten auf die an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe warten. Bei der Entscheidung, sich jetzt oder im Herbst impfen zu lassen, sollte in Betracht gezogen werden, wie sehr man unter Menschen ist. Hat man viel Kontakt zu anderen, fährt regelmäßig mit Öffis oder trifft vulnerable Personen, sollte die Impfung eher früher als später erfolgen.
3 Apropos angepasster Impfstoff – wann wird dieser verfügbar sein?
ANTWORT: Informationen von Biontech/Pfizer wie auch von Moderna lassen darauf schließen, dass bis zum Herbst mit den angepassten Impfstoffen zu rechnen ist. Zuletzt hat Moderna einige Daten veröffentlicht, aber nicht die vollumfängliche Studie. "Was wir wissen ist, dass eine Impfung mit einem angepassten Impfstoff die Anzahl der neutralisierenden Antikörper gegen Omikron-Varianten erhöht", sagt von Laer.
4 Der Immunitätsstatus ist individuell unterschiedlich. Sollte ich einen Antikörpertest vor der vierten Impfung machen?
ANTWORT: Bislang war die einhellige Meinung, dass es für eine Einzelperson nicht notwendig sei, den Antikörperstatus vor einer Impfung zu erheben. Aus dem einfachen Grund, weil immer noch kein Schutzkorrelat definiert wurde. Dieses gibt es zwar immer noch nicht, da aber die individuellen Immunantworten sehr unterschiedlich sein können, empfiehlt von Laer im Zweifelsfall einen Antikörpertest in "einem seriösen Labor machen zu lassen". Ebenda werden die sogenannten "Binding Antibody Units" (BAU) gemessen. Liegt dieser Wert über 1000/ml, ist eine sofortige Dosis nicht unbedingt notwendig. "Das bedeutet nicht, dass man sich leichtfertig verhalten kann", gibt von Laer zu bedenken.
5 Wie lange dauert es, bis der Schutz nach einer vierten Dosis voll aufgebaut ist?
ANTWORT: Im Gegensatz zur ersten Dosis, nach welcher es mehrere Wochen dauert, ist der Schutz nach der vierten innerhalb weniger Tage aufgebaut. Man kann seine Entscheidung in diesem Fall also auch von der Entwicklung des Infektionsgeschehens abhängig machen.