Die Europäische Union bestellt angesichts des gegenwärtigen Virusausbruchs 110.000 Impfdosen gegen Affenpocken. Eine entsprechende Vereinbarung wurde mit dem dänischen Biotech-Unternehmen Bavarian Nordic getroffen. Die Lieferung an die EU-Staaten könnte ab Ende Juni erfolgen, erklärte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Dienstag am Rande eines Treffens der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg. Nach Angaben von Bavarian Nordic soll sie sofort beginnen.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte kürzlich erklärt, sie führe Gespräche mit Bavarian Nordic, die eine Ausweitung der Zulassung seines Pockenimpfstoffs Imvanex auch auf Affenpocken ermöglichen könnte. In den USA ist das Vakzin bereits auch zum Einsatz bei Affenpocken zugelassen. Einige EU-Staaten, darunter Deutschland und Spanien, haben schon eigene Bestellungen bei Bavarian Nordic aufgegeben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte gesagt, im Juni könnten rund 40.000 Impfdosen geliefert werden, im weiteren Jahresverlauf weitere 200.000. Bavarian Nordic hob im Zuge des EU-Auftrags seine Umsatzprognose für dieses Jahr an.

Wem in Deutschland eine Pockenimpfung empfohlen wird

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte vorige Woche bekannt gegeben, dass für bestimmte Gruppen der Pockenimpfstoff Imvanex empfohlen werde. Dazu zählen etwa Erwachsene, die Kontakt zu Infizierten hatten, und Männer, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Wegen zunächst begrenzter Impfstoffverfügbarkeit hieß es, dass die Impfung bevorzugt Menschen angeboten werden soll, die dem Virus ausgesetzt waren.

Auch in Österreich wird die Pockenimpfung nicht der breiten Bevölkerung empfohlen. Christoph Wenisch, Infektiologe am Klinikum Favoriten, erklärte gegenüber der Kleinen Zeitung: "Es gibt mittlerweile die dritte Generation der Pockenvirus-Impfung, diese ist zugelassen und wir setzen sie auch ein." Sinnvoll sei die Impfung etwa für Gesundheitspersonal, das Patienten betreut. Auch Kontaktpersonen wird sie angeboten, damit sie sich nicht infizieren. Durch diese sogenannte Abriegelungsimpfung können größere Ausbrüche eingedämmt werden. Das RKI gab die Patientenzahl am Dienstag auf seiner Webseite mit genau 229 an, nach rund 190 am Vortag. Weiterhin seien keine Fälle bei Frauen und Kindern bekannt. In Österreich gab es bisher vier nachgewiesene Affenpocken-Fälle.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte zuletzt fast 1600 Fälle von Affenpocken in Ländern außerhalb Afrikas gemeldet – die meisten davon bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben. Affenpocken treten hauptsächlich in West- und Zentralafrika auf und verbreiten sich nur sehr selten in anderen Ländern, was die gegenwärtige Entwicklung ungewöhnlich macht. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist laut Robert-Koch-Institut selten und nur bei engem Kontakt möglich. Sie kann durch Kontakt mit den typischen Hautveränderungen stattfinden oder auch durch ausgeschiedene Atemwegssekrete und Speichel. 

Sexuelle Übertragung?

Ob Affenpocken durch Sperma oder Vaginalsekret verbreitet werden können, ist laut RKI noch nicht abschließend geklärt, scheint aber möglich. In Italien wurden nun bei einer Handvoll Patienten erstmals Fragmente des Affenpockenvirus im Sperma nachgewiesen, was die Frage aufwirft, ob eine sexuelle Übertragung möglich ist. Forscher des Spallanzani-Instituts in Rom haben bei sechs von sieben Patienten der Einrichtung das genetische Material des Virus im Sperma nachgewiesen. Insbesondere eine im Labor untersuchte Probe eines einzelnen Patienten deute darauf hin, dass das in seinem Samen gefundene Virus in der Lage ist, eine andere Person zu infizieren und sich zu vermehren.

Diese Daten, reichten aber nicht aus, um zu beweisen, dass sich die biologischen Eigenschaften des Virus und seine Übertragung verändert haben, sagte der Generaldirektor des Instituts, Francesco Vaia, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Fund spreche jedoch stark für die Hypothese, dass das Virus auch sexuell übertragbar sei. Die WHO sei darüber informiert worden.

WHO ruft Notfallausschuss ein

Aus Sorge um die steigende Fallzahl hat WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus für kommende Woche den Notfallausschuss einberufen. Das Gremium soll entscheiden, ob es sich - wie bei Corona - um eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" (PHEIC) handelt. Der Notfallausschuss soll am 23. Juni tagen. Die Erklärung der Notlage ist die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann. Eine solche Erklärung hat keine direkten praktischen Folgen, soll aber die Mitgliedsländer wachrütteln. Eine Notlage gilt etwa seit Ende Jänner 2020 wegen des Coronavirus Sars-CoV-2.

Zusätzlich zu den 1600 bestätigten Fällen gibt es weitere fast 1.500 Verdachtsfälle aus 39 Ländern. In 32 dieser Länder gab es vor Mai keine bekannten Fälle. In den anderen sieben Länder in Afrika grassiert das Virus seit Jahrzehnten. Bisher wurden 72 Todesfälle aus den afrikanischen Ländern gemeldet. Die WHO prüfe einen möglichen Todesfall durch Affenpocken aus Brasilien, sagte Tedros.

Die Sorge der WHO beziehe sich auf drei Bereiche, sagte Tedros: das Virus verhalte sich ungewöhnlich, es seien immer mehr Länder betroffen und damit sei eine koordinierte Reaktion nötig. Tedros betonte aber, dass die Experten des Notfallausschusses die Problematik betrachten und noch nicht entschieden sei, ob sie das Ausrufen einer Notlage für nötig halten.