Die Covid-19-Situation in Österreich hat sich beruhigt. Seit Wochen haben die Prognosen keine massiven Anstiege der Neuinfektionen mehr vorausgesagt. Ein Treiber dieser Entwicklung ist der sogenannte saisonale Effekt, der aktuell voll zur Geltung kommt. Diese Saisonalität hat zur Folge, dass durch unterschiedliche Faktoren, wie höhere Temperaturen, UV-Strahlung und auch das Verlegen der Aktivitäten nach draußen, das Infektionsgeschehen gedrückt wird.
Doch auch wenn sich das Infektionsgeschehen auf einem verhältnismäßig niedrigem Niveau dahin bewegt – vergangene Woche wurde etwas über 3000 Fälle pro Tag vermeldet – sinken die Zahlen nicht mehr. "Wir sehen wieder einen leichten Anstieg der Fälle", sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek (Complexity Science Hub, MedUni Wien) im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Und dieser ist noch nicht durch die beiden jüngsten Subvarianten von Omikron, BA.4/BA.5, getrieben, sondern wieder durch BA.2. Dass die Maskenpflicht in weiten Teilen aufgehoben wurde, schließt Klimek als alleinige Ursache aber aus. "Dafür kommt der Anstieg zu früh." Auch wenn man sich die einzelnen Altersgruppen ansieht, sind kaum Ausreißer zu beobachten. Und zur Saisonalität, sagt Klimek: "Diese ist schon voll entwickelt und kann uns aktuell nicht mehr helfen, das Geschehen zusätzlich einzudämmen."
Im Vergleich zum Vorjahr, wo sich die Anfänge der Delta-Welle ebenfalls schon im Juli zeigten, gehen wir 2022 also mit höheren Zahlen in den Sommer. Doch was bedeutet das im Hinblick auf die Ausbreitung von BA.4 und BA.5, die ja gegenüber BA.2 einen Wachstumsvorteil haben? Laut Klimek ist das wahrscheinlichste Szenario jenes einer Hochinzidenzphase. "Ähnlich wie in England 2021, ist es möglich, dass die Zahlen über den Sommer langsam, aber kontinuierlich steigen und wir auch mit einer Hochinzidenz in den Herbst gehen." Demnach würde sich ein Plateau bilden, auf welchem sich das Infektionsgeschehen in Höhen von 10, 20 bis zu 30.000 Fällen pro Tag bewegt.
Verbreitung der neuen Subvarianten regional unterschiedlich
Die Verbreitung von BA.4/BA.5 ist in Österreich regional noch sehr unterschiedlich, während der Anteil der jüngsten Omikron-Subvarianten bei rund 14 Prozent liegt, ist er zum Beispiel in der Steiermark noch nicht wirklich relevant. "Der Übergang von einer dominanten Variante bis zur nächsten dauert mehrere Wochen", erklärt Ulrich Elling. Der Molekularbiologe vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zeichnet gemeinsam mit dem Institut für Infektionsepidemiologie der Ages für die Sequenzierungen in Österreich verantwortlich. Insgesamt ist laut Elling davon auszugehen, dass der Anteil von BA.4/BA.5 am gesamtösterreichischen Infektionsgeschehen mittlerweile über zehn Prozent beträgt. Und laut Berechnungen von Klimek verdoppelt sich die Anzahl von BA.4/BA.5 alle zwölf Tage. Elling hat auf Twitter kürzlich folgendes zur Verbreitung der Varianten in Österreich getwittert:
Für den Sommer bedeutet dies, wie oben erwähnt, dass es eine Urlaubszeit mit tendenziell hohem Infektionsgeschehen sein wird. Was das für Österreich bedeuten kann, kann man am Beispiel Portugal ablesen. Ebendort steigt die Zahl der Neuinfektionen Ende April wieder stark an, mit Anfang Juni wurden knapp 30.000 Neuinfektionen pro Tag verzeichnet. Gestiegen sind ebenso die Spitalseinweisungen und Todesfälle.
Wie krank machen BA.4/BA.5?
Dass BA.4/BA.5 einen Wachstumsvorteil gegenüber anderen Varianten haben und den Immunschutz besser umgehen können, ist bekannt. Nicht ganz so eindeutig ist das Bild, wenn es um die Krankheitslast geht. "Es gibt Hinweise darauf, dass BA.4/BA.5 etwas schwerer krank machen als BA.2", sagt Elling. "Dies zeigt sich bislang in Tiermodellen als auch in Zellkulturen." Aber die Verläufe seien, wie bei den anderen Omikron-Varianten, nicht überwiegend schwer. "Es ist eine Steigerung auf niedrigem Niveau und etwa mit der Delta-Variante nicht vergleichbar."
Hinzu kommt, dass die Immunität über die Gesamtbevölkerung gerechnet sinkt, der Schutz der Booster-Kampagne, mit der versucht wurde, Ende letzten Jahres die Delta-Welle zu brechen, wird geringer und ein Ansteckungsschutz ist praktisch nicht mehr gegeben. Damit sind gerade Ältere nun wieder im Risiko einer Ansteckung. Das könnte sich dann natürlich in den Krankenhäusern bemerkbar machen. Auch all jene, die von einer Infektion mit BA.1 von Omikron BA.1 oder älteren Virusvarianten genesen sind, sind gegen eine Ansteckung mit BA.4/5 kaum geschützt. Wichtig zu betonen ist aber: Der schwindende Schutz betrifft jenen vor Ansteckung mit Sars-CoV-2, vor einem schweren Verlauf schützen Impfung wie auch Infektion weiterhin.
Das bedeutet, dass die Maske auch im Sommer in vollen Innenräumen unser ständiger Begleiter sein sollte, wie Elling empfiehlt. Auch wenn die Maskenpflicht offiziell ausgesetzt ist. Es wird auch in diesem Jahr kein Sommer wie damals.