Südafrika erlebt gerade eine weitere Welle in dieser Pandemie. Befeuert wird diese von den Omikron-Varianten BA.4 und BA.5. Diese wurden nun auch – in geringer Zahl – in Österreich detektiert. In Südafrika beginnen aktuell die kühleren Jahreszeiten. Kann man die Situation im Land am Kap als Blaupause für den österreichischen Herbst nutzen?
"Nein, eins zu eins umlegen kann man die Situation in Südafrika nicht auf Österreich", sagt Ulrich Elling im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Und das hat laut dem Molekularbiologen (IMBA, ÖWA) hauptsächlich zwei Gründe. Die Immunität der südafrikanischen Bevölkerung gestaltet sich anders als jene der österreichischen. Laut Informationen von südafrikanischen Fachleuten würden 90 Prozent der Menschen eine Form von Immunität auf weisen, der Großteil aber aufgrund von Infektionen und nicht aufgrund von Impfungen. In Österreich haben Anfang Mai rund 70 Prozent der Gesamtbevölkerung ein aktives Impfzertifikat.
Zum anderen war Südafrika das erste Land, das eine massive Omikron-Welle Ende 2021 und Anfang 2022 durchgemacht hat. Den massiven Anstieg, welchen die Untervariante BA.2 etwa in Österreich ausgelöst hat, gab es im Land am Kap nicht in diesem Ausmaß. Dementsprechend ist auch der Immunschutz in diesen beiden Bevölkerungen unterschiedlich und nur in Ansätzen vergleichbar.
Was über BA.4 und BA.5 bekannt ist
Was uns nun zu den Untervarianten bringt. Was ist über BA.4 und BA.5 bekannt? Beide dürften gegenüber BA.2 einen Wachstumsvorteil haben. Dieser kommt zum einen daher, dass die Untervarianten bereits aus anderen Varianten bekannte Mutationen aufweisen, von denen man weiß, dass diese das Virus zum einen ansteckender machen und zum anderen helfen, die Immunantwort besser zu umgehen. "Grundsätzlich sind BA.4 und BA.5 der Variante BA.2 aber sehr ähnlich", sagt Elling.
Forschungsergebnisse aus Südafrika legen nahe, dass Menschen, die sich mit BA.1 infiziert hatten, gegen eine weitere Infektion mit BA.4/5 kaum geschützt sind. Doch die T-Zellen-Immunität sollte auch weiterhin vor schweren Verläufen schützen. Noch unklar ist aber, ob die beiden Subvarianten schwerere oder leichtere Krankheitsverläufe verursachen. Hier fehlen noch aussagekräftige Daten.
Wie oft BA.4 und BA.5 in Österreich vorkommt
Beide Subvarianten wurden mittlerweile auch in Österreich nachgewiesen. Die Stadt Wien hat dem Gesundheitsministerium erste Fälle gemeldet. Bereits in der Kalenderwoche 16, also zwischen 18. und 24. April, gab es 24 Nachweise der Variante BA.4 und einen Nachweis von BA.5. Diese 24 Fälle würden miteinander "über mehrere Ecken" zusammenhängen, seien aber lokal sehr begrenzt, schrieb der Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats, Peter Hacker (SPÖ), Mario Dujakovic auf Twitter. Auch in der Steiermark und in Salzburg wurden einzelne Fälle identifiziert. Das bundesweite Abwasser-Monitoring hat bisher keine Hinweise der Virusvarianten ergeben.
Die zahlreichen unterschiedlichen Sublinien und -varianten zeigen auch, dass sich Sars-CoV-2 an die weltweit steigende Immunität anpasst. Das Virus macht weniger einen Riesensprung in Bezug auf seine Evolution. Es weist häufiger "kleinere" Mutationen auf, die aber dennoch eine ausreichend große Wirkung in Bezug auf den Immunschutz bzw. die Immunantwort haben können. "Das kennen wir auch von der Influenza", erklärt Elling.
Für den Sommer und den Herbst bedeutet dies, "dass wir einen Blumenstrauß an Subvarianten von Omikron sehen dürften", so Elling. "Zudem werden wir ein Niveau der Fallzahlen sehen, das höher ist als in den vorangegangenen Pandemiesommern." Mögliche Szenarien für Pandemieentwicklung in den kommenden Monaten haben Elling und zahlreiche andere Fachleute in einem Arbeitspapier festgehalten, wir haben hier darüber berichtet.
Welche Vorbereitungen es für den Herbst braucht
Grundsätzlich bedeutet dies: Die Pandemie ist nicht vorbei. Das wahrscheinlichste Szenario wird sein, dass sich Varianten durchsetzen, die zwar ansteckender sind und auch den Immunschutz besser umgehen können, die aber nicht für ein Vielfaches mehr an Intensivpatienten und Todesfälle sorgen werden.
Und es müssen Vorbereitungen für den Herbst getroffen werden. Zum einen braucht es mehr Personal im Gesundheitsbereich, zum anderen endlich auch effektive Belüftungsanlagen in den Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen. Und auch das Angebot an Testmöglichkeiten sowie Sequenzierungen sollte nicht auf null zurückgefahren werden, um die Infrastruktur im Fall des Falles schnell wieder errichten zu können. Eine Vorbereitung sollte auch die Impfung sein. Vor allem Menschen, die Risikogruppen angehören bzw. Personen über 60 sollten sich rechtzeitig vor dem Herbst impfen bzw. ihren Schutz mit einer vierten Impfung auffrischen lassen.