Berichte von zwei Long-Covid-Erkrankten, darunter eine Immunologin, über die Linderung von Symptomen nach der Einnahme des Covid-19Medikaments Paxlovid von Pfizer könnten laut Experten zu klinischen Studien führen, um Betroffenen möglicherweise zu helfen. Die US-Medizinerin berichtete, ihr chronisches Erschöpfungssyndrom, das sich angefühlt habe, "als hätte mich ein Lastwagen angefahren", sei verschwunden, nachdem sie das Kombinationspräparat aus zwei Tabletten eingenommen hat.
Long Covid ist eine weitere drohende Gesundheitskrise in der Coronavirus-Pandemie, mit schätzungsweise bis zu 30 Prozent der Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, die nach Abklingen der akuten Erkrankung davon betroffen sind. Mehr als 200 Symptome werden bisher mit Long Covid in Verbindung gebracht, einschließlich Schmerzen, Müdigkeit sowie Erschöpfung nach leichtester körperlicher Aktivität, "Brain Fog" und Atembeschwerden. Diese können monatelang andauern, viele Betroffene sind arbeitsunfähig.
Paxlovid und Long Covid: ein starkes Indiz
Steven Deeks, Medizin-Professor für Medizin an der University of California in San Francisco (UCSF) und Experte für HIV-Forschung, sagte, dass Pharmaunternehmen dazu neigen, Studien mit einzelnen Patienten abzuwerten. Aber solche Fälle hätten auch dazu beigetragen, die HIV-Heilung voranzutreiben. Deeks glaubt, dass Paxlovid dasselbe für Long Covid erreichen könnte. Es gebe ein starkes Indiz dafür, dass in diesem Zusammenhang so bald wie möglich eine antivirale Therapie untersucht werden müsse, sagte der Mediziner und fügte hinzu, dass er bereits von einem dritten Fall gehört habe, bei dem die Symptome eines Long-Covid-Patienten nach der Einnahme von Paxlovid verschwunden sind.
Weitere Wissenschafter warnen, dass diese Fälle "nur hypothesengenerierend" und kein Beweis dafür sind, dass das Medikament die Linderung anhaltender Symptome erreicht hat. Aber sie stützen eine führende Theorie, dass Long Covid durch das monatelange Fortbestehen des Virus in Teilen des menschlichen Körpers verursacht werden kann und das Leben der Patienten beeinträchtigt, lange nachdem die akuten Symptome verschwunden sind. Michael Stingl, Neurologe und in Österreich führender Long-Covid-Spezialist, bewertet diese ersten Fallberichte ebenso positiv, er ist aber auch der Meinung, dass es mehr Daten bzw. umfassendere Studien zu diesem Thema brauche, wie er auf Twitter vor Kurzem schrieb:
Persistierende Entzündung nach Covid-19-Infektion?
Die bisher besten Hinweise stammen von einer Studie (derzeit in Peer-Review) des US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Dafür führten Forschende Autopsien bei 44 Menschen durch, die an oder mit Covid-19 starben. Sie fanden eine weitverbreitete Infektion im ganzen Körper, einschließlich des Gehirns, die mehr als sieben Monate über den Beginn der Symptome hinaus andauern kann.
Die Immunologin Lavanya Visvabharathy von der Northwestern Medicine Long-Covid-Klinik in Chicago, die vier Monate nach einer Infektion noch unter chronischer Erschöpfung, Kopfschmerzen und Schlafstörungen litt, war ihre Erschöpfungssymptome vor kurzem zwei Wochen nach der Einnahme von Paxlovid "zu 100 Prozent" losgeworden. Aber um eine derartige Wirkung zu beweisen, seien sorgfältige, kontrollierte Studien nötig, betonte die Medizinerin. Der Leiter der Long-Covid-Klinik, Igor Koralnik, verwies auf die lange Liste weitverbreiteter Medikamente, die mit Paxlovid interagieren. Die Tablette könnte daher nicht einfach so eingenommen werden. "Paxlovid ist kein harmloses Medikament", sagte er.
Paxlovid, das eine neue Pfizer-Tablette mit dem bereits bestehenden Mittel Ritonavir kombiniert, ist derzeit für Hochrisikopatienten für die Verwendung in den ersten Tagen einer Covid-Infektion zugelassen, um eine schwere Erkrankung zu verhindern. Pfizer teilte in den USA mit, das Unternehmen habe keine Long-Covid-Studien im Laufen. Das Unternehmen äußerte sich zudem nicht, ob welche in Erwägung gezogen würden.