Die mRNA-Technologie hat in der Covid-19-Pandemie die Impfungen revolutioniert. Jetzt könnte diese Technik der bei Blutkrebs wirksamen CAR-T-Zelltherapie erstmals auch zu einer Wirkung bei Tumorerkrankungen verhelfen. Das legt eine internationale Studie mit einem Biontech-Krebsimpfstoff bei Tumorpatienten nahe, die bei der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Krebsforschung (AACR) in New Orleans vorgestellt worden ist.

Der Hintergrund: Die CAR-T-Zelltherapie, bei der Immunzellen (sogenannte T-Zellen) aus dem Blut des jeweiligen Patienten gewonnen, im Labor zusätzlich mit Rezeptoren für Proteine von bösartigen Zellen versehen und schließlich dem Kranken wieder per Infusion verabreicht werden, habe in der Hämatologie bei bestimmten Formen von Blutkrebs die Ansprechraten stark erhöht. Es komme bei manchen der sonst unheilbaren Patienten zu einer Rückbildung der Krankheit, doch bei Karzinomen hat die Technik bisher versagt.

"Eine der Hauptschwierigkeiten liegt darin, dass die meisten der Proteine auf Tumoren, die man als Ziel (für CAR-T-Zellen; Anm.) verwenden könnte, in einer niedrigen Konzentration auch auf normalen Zellen zu finden sind. Das macht es schwer, CAR-T-Zellen gegen sie zu programmieren und gleichzeitig die gesunden Zellen auszusparen. Andere Hürden sind das kurze Überleben der CAR-T-Zellen sowie ihre mangelnde Fähigkeit, in Tumorgewebe einzudringen", sagte John Haanen, medizinischer Onkologe am Niederländischen Krebsinstitut, beim AACR-Jahreskongress am Wochenende in New Orleans. Das jährliche AACR-Meeting gilt quasi als das "Mekka" der internationalen Krebsforschung.

Die niederländischen Wissenschaftler könnten jetzt jedenfalls einen Weg gefunden haben, die Wirkung von CAR-T-Zellen bei Karzinomen zu verbessern. Die Experten gingen vom Claudin-6-Oberflächenmolekül (CLDN6) aus, das zum Beispiel bei Hoden-, Eierstock- und Endometriumkrebs auf den bösartigen Zellen zu finden ist. Bei Erwachsenen taucht es auf gutartigen Zellen nicht mehr auf, hingegen auf Krebszellen.

Zunächst erzeugten die Wissenschafter CAR-T-Zellen, welche CLDN6-positive Zellen erkennen sollten. Hinzu kam eine CARVac-Vakzine vom Covid-19-Impfstoffhersteller Biontech in Mainz, die als Impfung die Vermehrung der CAR-T-Zellen und ihre Funktion verstärken soll. CARVac ("CAR-T Cell Amplifying RNA Vaccine") liefert dabei die mRNA von CLDN6 an antigenpräsentierende Zellen des Immunsystems der Geimpften. Sie nehmen fremde Antigene (zum Beispiel auch von Bakterien oder Viren) auf und alarmieren dann wiederum die CAR-T-Zellen. Sie erhalten damit einen Booster für die Vermehrung, die Abwehrreaktion soll damit verstärkt werden. Durch die wiederholte Impfung mit CARVac könnte die Wirkungsdauer der Immuntherapie verlängert werden, bis keine Krebszellen mehr im Körper vorhanden sind.

An 16 Patienten erprobt

Im Rahmen einer ersten klinischen Studie wurde diese Strategie an 16 Patienten mit Hoden-, Eierstock-, Gebärmutter-, Eileiter-, Magenkrebs oder Sarkomen in Kliniken in den Niederlanden und Deutschland erprobt. In einer ersten Phase erhielten die Patienten die CAR-T-Zelltherapie allein. Dann kam alle zwei bis drei Wochen über einen Zeitraum von hundert Tage eine mRNA-CARVac-Impfung hinzu. Biontech mit seinem Co-Gründer Ugur Sahin hat die mRNA-Technik für Vakzine ursprünglich für Krebsimpfstoffe entwickelt. Anfang 2020 entschloss man sich gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Pfizer, sie für Covid-19-Vakzine zu nützen.

Die Ergebnisse aus der klinischen Untersuchung sprechen jedenfalls für weitere Untersuchungen: Bei 14 der 16 teilnehmenden Patienten konnte sechs Wochen nach der CAR-T-Zelltherapie eine Auswertung bezüglich Wirksamkeit durchgeführt werden. Dabei wurde bei vier Patienten mit Hoden- und zwei Patientinnen mit Eierstockkrebs ein teilweises Ansprechen mit Rückgang der Tumore beobachtet. Das bedeutete eine Ansprechrate von 43 Prozent. Bei fünf Patienten kam es zur Stabilisierung der Erkrankung. Der Effekt verstärkte sich offenbar im Laufe der zusätzlichen Impfung mit den mRNA-Vakzinen. Bei einem Patienten verschwand die Tumorerkrankung komplett.

John Haanen sagte dazu: "Ich bin am Anfang recht skeptisch gewesen, weil die CAR-T-Zelltherapie bei Tumoren nicht funktioniert hatte. Deshalb waren wir sehr aufgeregt, als wir sahen, dass Metastasen verschwanden und sich der Zustand der Patienten verbesserte. Sie zeigten ein sehr gutes Ansprechen, bei einem Kranken kam es zu einer kompletten Remission, die anhält und schon fast sechs Monate dauert." Jedenfalls sollten in Zukunft größere Studien mit dieser Strategie durchgeführt werden, um mehr Belege für einen Effekt zu erhalten. Die Nebenwirkungen waren laut den Wissenschaftlern gut beherrschbar.