Wir sind nicht allein in unserem Körper. Jeder Mensch trägt an die hundert Billionen Mikroorganismen mit sich herum. Die meisten dieser Untermieter bewohnen den Darm. Sie sind essenziell für den gesamten Stoffwechsel, denn die mikroskopisch kleinen Lebewesen unterstützen die Verdauung, stärken Immunsystem und Wundheilung, hemmen Entzündungen, fangen giftige Stoffe ab und schützen vor Infektionen. Ein deutlich kleinerer Teil dieser Mikroorganismen, deren Gesamtheit als „Mikrobiom“ bezeichnet wird, kann uns aber krank machen.

Aufgrund der vielfältigen Wirkkraft ist das Mikrobiom eine wesentliche Säule unserer Gesundheit – welche auch das Gewicht beeinflusst. Je differenzierter die Bakterienpopulationen sind, desto besser funktionieren die Verdauungsvorgänge. Bei Menschen mit geringer Vielfalt im Verdauungstrakt dominieren dagegen die Bakterienarten, die mit Entzündungsreaktionen des Körpers in Verbindung stehen.

Wobei sich die individuelle Zusammensetzung der Darmflora unterscheidet: Sie hängt von Faktoren wie den Genen, Stress und der Ernährung ab. Bewiesen ist, dass eine fette, einseitige und ballaststoffarme Kost die Vielfalt der Mikroben dezimiert – dies kann das Immunsystem beeinträchtigen. Als Folge können Fehlreaktionen und weiters auch Autoimmunerkrankungen oder Allergien auftreten. Auch ist es möglich, dass jene Bakterien bei ihrer Vermehrung unterstützt werden, die direkt gesundheitsgefährdend wirken, indem sie etwa das Infarkt- und Krebsrisiko erhöhen.

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Disbalance der Darmflora kann zu Gewichtszunahme führen

Die Disbalance der Darmflora kann sich auch auf der Waage zeigen. So produziert das Mikrobiom von adipösen Menschen mehr Enzyme, die Ballaststoffe und komplexe Kohlenhydrate, die eigentlich unverdaulich sind, abbauen können. Im Darm entsteht dadurch quasi eine Extraportion an Kohlehydraten, die der Körper zusätzlich aufnimmt. Erforscht wurde das anhand von Versuchen mit Mäusen: Wissenschaftler der Washington University entnahmen Zwillingsschwestern, von denen eine stark übergewichtig und die andere normal gewichtig war, Stuhlproben. Diese verabreichten sie Mäusen. Nach einigen Tagen nahmen jene Tiere, die den Stuhl der übergewichtigen Frauen erhalten hatten, zu. Jene Mäuse, die Bakterien von normalgewichtigen Probandinnen bekommen hatten, blieben schlank.

Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen sich auch beim Menschen. So zeigte sich in der Analyse von Stuhlproben, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien Einfluss auf den Anstieg des Blutzuckerspiegels und somit auch auf das Gewicht hatte. Das erklärt auch, warum einigen Probanden trotz identischer Kalorienzufuhr das Abnehmen leichter gelang als anderen.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Essen

Was also tun? Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Essen. Denn über eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten lässt sich eine eintönige Darmflora "umwandeln". So reduziert Salz die gesunden Milchsäurebakterien, weshalb eine salzarme Ernährung eine gesunde Darmflora fördern kann. Auch Ballaststoffe, wie sie in Nüssen, Hülsenfrüchten, rohem Obst, Gemüse sowie Vollkornprodukten stecken, sind hilfreich, da sie zwar für den Menschen unverdauliche Nahrungsbestandteile enthalten, den Darmbakterien aber als Energielieferanten dienen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, mindestens 30 Gramm Ballaststoffe am Tag zu essen. Dieser Wert lässt sich etwa durch 600 Gramm Erbsen, 300 Gramm Früchtemüsli oder acht Scheiben Vollkornbrot erreichen.

Mangelt es an Ballaststoffen, etwa weil vorwiegend hoch verarbeitete Nahrungsmittel zugeführt werden, kann sich das Gleichgewicht zugunsten der dick machenden Bakterien verschieben. Ebenfalls negativ wirken sich Antibiotika, viel Zucker oder Alkohol aus. Selbst wenn die Summe der gegessenen Kalorien nicht größer wird, kann das zu Gewichtszunahme führen.

Das Darm-Mikrobiom reagiert rasch auf eine Ernährungsumstellung. Je nachdem, ob vegetarische Kost oder Essen tierischen Ursprungs konsumiert wird, dominieren schon nach einem Tag unterschiedliche Mikroben – auch wenn sich umgekehrt die alte Bakterienzusammensetzung über die an den Schleimhäuten sitzenden Keime allmählich wieder herstellen lässt.

Dies eröffnet künftig neue Therapieansätze. In zwanzig Jahren, so prophezeien Mediziner der Universität St. Gallen, wird das Zusammenspiel der Milliarden von Bakterien so weit verstanden sein, dass man weiß, wie das Mikrobiom an Erkrankungen beteiligt ist und wie eine individuelle Ernährungsmedizin möglich ist.
Bis dahin gilt: Wer nicht zu viel isst, stark verarbeitete Produkte meidet, sich vielfältig ernährt, viel Gemüse, Getreide oder Hülsenfrüchte verzehrt, auf Zuckerersatzstoffe verzichtet, Milch und Milchprodukte genießt, ausreichend schläft und sich regelmäßig bewegt, tut viel für seine Gesundheit – und die seiner Mitbewohner im Darm.