Entzündungen, Brüche, Abnützungen oder sogar Krebs: Die meisten Krankheiten und Verletzungen, mit denen ein Großteil der Menschen im Laufe des Lebens konfrontiert ist, sind gut erforscht und therapierbar. Doch es gibt Krankheiten, an denen nur so wenige Menschen leiden, dass sie lange undiagnostiziert bleiben und es nur wenige bekannte Verfahren zur Behandlung gibt. Einige Leiden betreffen nur eine Handvoll Menschen weltweit. Als seltene Krankheit werden Erkrankungen definiert, die bei weniger als fünf Personen pro 10.000 Einwohner auftreten. Diese Erkrankungen bei Betroffenen korrekt zu diagnostizieren und zu behandeln, ist eine große Herausforderung – vor allem in ärmeren Regionen der Welt. Aufgrund der Seltenheit gibt es zudem meist keine großen Studien und Erfahrungswerte in der Behandlung: Die behandelnden Ärzte stehen vor großen Herausforderungen.
Loeys-Dietz-Syndrom
Die tirol kliniken und die Medizinische Universität Innsbruck behandeln derzeit eine Patientin mit dem sogenannten "Loeys-Dietz-Syndrom". Das Erkennen dieser sehr seltenen, erblichen Bindegewebskrankheit, von der es weltweit keine 100 diagnostizierten Fälle gibt, sei für die Patientin enorm wichtig gewesen. Möglich sei das auch aufgrund des 2014 gegründeten "Zentrums für Seltene Krankheiten – ZSKI", hieß es am Freitag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.
Unerkannt könne dieses Syndrom jedenfalls lebensbedrohlich sein, betonten die Innsbrucker Mediziner. Aus medizinischer Sicht hat man es bei dieser Krankheit jedenfalls mit Gefäßerweiterungen und einer hohen Neigung zu Aneurysmen – also Ausbuchtungen eines Blutgefäßes aufgrund einer Schwäche in der Gefäßwand – zu tun. Wenn diese reißen, kann dies zum Tod führen, strich Sabine Rudnik, leitende Oberärztin am Institut für Humangenetik in Innsbruck, heraus.
Disziplinübergreifend arbeite man dann auch bei der Behandlung der Krankheit selbst, erklärte Julia Dumfarth, Oberärztin an der Innsbrucker Universitätsklinik für Herzchirurgie. "Im dafür vorgesehenen Aorta-Zentrum sind Herzchirurgie und Gefäßchirurgie beteiligt", sagte sie. Bei der Operation der Patientin sei im konkreten Fall das erkrankte Gewebe entfernt und durch eine Protheseersetzt worden, so Dumfarth. Ebenjene Operation sei jedenfalls "gut verlaufen", sagte im Anschluss schließlich die ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende 49-jährige Patientin.
Obwohl die Patientin eine der wenigen Personen weltweit mit dem "Loeys-Dietz-Syndrom" ist, sind seltene Krankheiten nicht wirklich selten. Es gibt insgesamt rund 7000 seltene Krankheiten, die in ihrer Gesamtheit etwa sieben Prozent der Bevölkerung betreffen. In Österreich ist somit also von bis zu 500.000 Patienten auszugehen.
MPS
Zu den Seltenen Erkrankungen zählen auch Mucopolysaccharidosen (MPS). Das sind Erkrankungen, bei denen Abbau und Speicherung von Zuckermolekülen gestört sind. "Wir konnten jetzt herausfinden, dass Veränderungen im Gen ARSK, das bis jetzt noch keiner Erkrankung zugeordnet war, zu einem neuen Subtyp der Mucopolysaccharidose führen, die wir als MPS X bezeichnet haben. Die MPS X ist eine Speichererkrankung, bei der bestimmte Bausteine im Körper, die sogenannten Glykosaminoglykane, nicht vollständig abgebaut werden können. Diese lagern sich dann in den Zellen verschiedener Gewebe ein und führen zu gesundheitlichen Problemen in mehreren Organsystemen", erklärt Sarah Verheyen von der Med Uni Graz.
Bei zwei betroffenen Geschwistern mit einer Erkrankung des Skelettsystems wurde über eine genetische Analyse an der Med Uni Graz eine mögliche Ursache in einem Gen mit dem Namen ARSK festgestellt. Dieses Gen war bis dahin noch keiner menschlichen Erkrankung zugeordnet. Über eine weltweite Datenbank konnte eine zweite Familie mit zwei Kindern mit genetischen Veränderungen im selben Gen in Indien gefunden werden. Die Arbeit basiert auf der genauen klinischen Charakterisierung dieser neuen seltenen Erkrankung und funktionellen Studien, welche die Auswirkung von Veränderungen im ARSK-Gen bestätigen. Die Ergebnisse der Forschung sollen dabei helfen, die Krankheit in Zukunft besser identifizieren zu können. Ein weiteres Projekt rund um MPS soll die Folgen von häufig auftretenden Entzündungsreaktionen im Körper von Kindern ermitteln.