Der Verlauf einer Covid-19-Erkrankung ist bisher unvorhersehbar, eine scheinbar harmlose Ausformung kann sich rasch zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung entwickeln. Forschende der Med-Uni Graz haben einen Zusammenhang zwischen einem tödlichen Krankheitsverlauf und einem Stoffwechselprodukt im Blut erkannt. Im Journal "Antioxidants" schlagen sie Kynurenin - ein Abbauprodukt der Aminosäure Tryptophan - als Biomarker zur Vorhersage eines erhöhten Mortalitätsrisikos vor.
Die anfänglich oft harmlose Symptomatik einer SARS-CoV-2-Infektion kann sich bei manchen Menschen nach fünf bis vierzehn Tagen zu einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung entwickeln. Der schwere Krankheitsverlauf kann Personen mit Vorerkrankungen ebenso treffen wie völlig gesunde junge Menschen. Ein Team an der Med-Uni Graz unter der Leitung von Harald Mangge vom Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik sucht nach Biomarkern, die eine besonders schweren Krankheitsentwicklung vorhersagen könnten, wie die Universität am Donnerstag mitteilte.
Biomarker würde bei der Wahl der Behandlung helfen
"Stünde in den ersten Krankheitstagen, in denen es den Patientinnen und Patienten dem eigenen Empfinden nach noch gut geht, ein Blutwert zur Verfügung, welcher den weiteren Krankheitsverlauf prognostiziert, könnte die Behandlung gegebenenfalls angepasst und noch effektiver gestaltet werden", hielt Mangge fest. Der Labormediziner an der Med-Uni Graz forscht im Bereich Immunsystem, Entzündung und Fettstoffwechsel.
Laut Mangge geht die lebensbedrohliche Verlaufsform von Covid-19 mit einem "Entzündungssturm" (Zytokin-Sturm) einher. Dabei komme es zu einer Überreaktion der körpereigenen Immunabwehr, die sich selbst zu zerstören beginnt: "Die initial rettende Immunreaktion gegen das Virus endet in einer Art immunologisch-entzündlichem Selbstmord", formulierte es der Forscher. Durch das außer Kontrolle geratene Immunsystem würden die Organsysteme und allen voran die Lunge angegriffen und zerstört. Überschreitet der Zytokin-Sturm ein bestimmtes Ausmaß, versagen alle bisherigen medizinischen Hilfsmittel.
Was im Körper passiert
Indikatoren für den weiteren Krankheitsverlauf
Die Grazer Forschenden haben in den vergangenen Monaten im Blut von 148 Patienten der ersten und zweiten Covid-19-Welle nach Indikatoren gesucht, die in der Frühphase einen Hinweis geben können, welcher Verlauf zu erwarten ist. 31 Patienten waren innerhalb von 90 Tagen verstorben. Neben Laborparametern wie den Entzündungswerten legte man bei der Analyse der Blutwerte in der Studie besonderes Augenmerk auf den Tryptophan-Stoffwechsel und seine Abbauprodukte: "Tryptophan ist schon seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Forschung, da diese Aminosäure nicht zuletzt bei der Immunabwehr eine Rolle spielt", erklärte Mangge. Es entsteht, wenn die Aminosäure Tryptophan - ein stetig im Körper vorhandener Bestandteil von Eiweißen - abgebaut wird. Dabei wird Tryptophan offenbar in schützende und giftige Metaboliten zerlegt.
"Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kynurenin-Blutwerte bei Covid-19-Patienten mit tödlichem Krankheitsverlauf bereits relativ früh zu Krankheitsbeginn sehr stark erhöht waren", so Mangge. Aus Sicht der Grazer Forscher könnte Kynurenin durchaus ein neuer Biomarker sein, der zu einer frühzeitigeren Intervention Anlass gibt. Ob seine Erhöhung Folge oder Ursache von außergewöhnlichen Immunreaktionen ist, die zu einem tödlichen Entzündungssturm führen können, bedürfe jedoch noch weiterer Forschung, betonte Mangge.