Allzu optimistisch hat sich der in den USA tätige österreichische Virologe Florian Krammer am Dienstag nicht gezeigt, was die Omikron-Variante angeht. Auch wenn nach wie vor noch nicht genug Daten vorliegen würden und damit die Unsicherheit groß sei, um die Situation mit Omikron abschätzen zu können, "schaut's aber nicht gut aus", meinte er in einer Diskussion per Livestream, den die Kunstuni Linz organisiert hat.
Ähnlich wie Krammer bewertet Christian Drosten die Lage. Der deutsche Virologe sieht ab Anfang kommenden Jahres Schwierigkeiten mit der Omikron-Variante auf sein Land zukommen. "Ich denke, ab Januar werden wir mit Omikron in Deutschland ein Problem haben", sagte der Wissenschafter von der Berliner Charité am Dienstag im Podcast "Coronavirus-Update" bei NDR-Info.
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Vorsicht ist geboten
Dieses Problem könne bis in den Sommer andauern, warnte er. In Südafrika seien die Zuwachsraten trotz des dort einsetzenden Sommers hoch. "Und darum würde ich im Moment auch nicht sagen, bis Ostern ist in Deutschland die Pandemie vorbei, wenn Omikron übernimmt." Bisher seien ihm aus dem Austausch mit Kollegen ungefähr 25 bis 30 Omikron-Fälle in Deutschland bekannt, berichtete Drosten. Die Zahl sei nicht vollständig und werde "in ganz kurzer Zeit" zunehmen. Er wolle auch nicht den Teufel an die Wand malen, halte aber Vorsicht angesichts der Veränderungen des Virus für geboten, sagte der Charité-Forscher.
Bei Omikron sei die "blödeste Kombination" an Eigenschaften zu befürchten: Immunflucht und Fitnessgewinn - also eine Variante, die den Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entkommt und zudem ansteckender ist. Die Impflücken in Deutschland müssten geschlossen werden, das sei die erste Priorität, sagte Drosten. Auch angesichts schwerer Verläufe, die nun bei Kindern in Südafrika beobachtet würden, sei zu befürchten, dass Omikron für Ungeimpfte "nicht harmlos" sei. Man dürfe wegen Berichten über milde Verläufe bei Genesenen und Geimpften nicht in Euphorie verfallen.
Auch Krammer sieht erste Einschätzungen, die Virusmutation sei im Vergleich zu Delta harmloser, nicht bestätigt. So gehe die "Zahl der Neuinfektionen steil bergauf" und auch die Zahl der Einweisungen in die Spitäler steige, sagte er. "Die sichere Annahme ist, dass diese Variante genauso gefährlich ist wie alle anderen", stellte er weiters klar.
Braucht es einen Omikron-Booster?
Unklarheit gebe es hingegen noch in Hinsicht auf den Impfstoff. Dass die Forschung wegen Omikron dabei "zurück an den Start" müsse, hält er für unwahrscheinlich. Wer eine Grundimmunität gegen Corona aufweise, verfüge über Antikörper-produzierende-Zellen, von denen durchaus "einige auch Omikron erkennen können". Mit einem spezifischen Booster würden diese Zellen reaktiviert, sodass sich schnell eine Schutzwirkung – in sieben bis zehn Tagen – aufbauen könne, so Krammers Annahme.
Problematisch werde es seiner Ansicht nach für die Ungeimpften. Es könne "kompliziert" werden, wenn Omikron und Delta nebeneinander zirkulieren. Wegen einer fehlenden Grundimmunisierung gegen Corona könne nicht geboostert werden, erklärte der Virologe. Fragen wie zum Beispiel "Sollten Erststiche gegen Delta oder Omikron gegeben werden oder parallel?" tun sich derzeit für ihn auf.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit
Auch international sorgt die Ausbreitung von Omikron für Besorgnis. Die Variante sei "eindeutig hochgradig übertragbar" und womöglich sogar ansteckender als die Delta-Variante, sagte der US-Experte Anthony Fauci. Aber der oberste medizinische Berater von US-Präsident Joe Biden meinte auch: "Es ist nahezu sicher, dass sie nicht schlimmer ist als Delta." Es gebe einige Hinweise darauf, dass Omikron sogar weniger schwerwiegend sein könnte. In Südafrika sei beobachtet worden, dass "das Verhältnis zwischen der Zahl der Infektionen und der Zahl der Krankenhausaufenthalte wohl geringer ist als bei Delta". Vollständig gesicherte Erkenntnisse hierzu seien aber erst in einigen Wochen zu erwarten.
Die Mutante könnte in Großbritannien innerhalb von Wochen dominant werden, sagte etwa der Genetiker Jeffrey Barrett vom Wellcome-Sanger-Institut im BBC-Radio am Dienstag. Bisher wurden bereits 336 Fälle registriert. "Ich denke, wir können jetzt sagen, dass die Variante sich im Vereinigten Königreich schneller ausbreitet als die Delta-Variante und das war bis vor sehr kurzer Zeit nicht klar", sagte Barrett und fügte hinzu: "Ich bin ziemlich sicher, dass sie wahrscheinlich innerhalb von Wochen dominant werden wird."
Realistisch sei anzunehmen, dass es schon jetzt 1.000 bis 2.000 Fälle im Land gebe, sagt auch der Epidemiologe Tim Spector vom King's College in London. "Und wir rechnen damit, dass sich das ungefähr alle zwei Tage verdoppelt im Moment."
Auch in Norwegen gehen Experten von einer rasanten Ausbreitung aus. "Es ist wahrscheinlich, dass die Omikron-Variante eine größere Ausbreitungsfähigkeit als die Delta-Variante besitzt und spätestens im Jänner 2022 in Norwegen dominant geworden ist", schrieb das staatliche Gesundheitsinstitut FHI in einer am Dienstag veröffentlichten aktualisierten Risikobewertung.