Zwei Impfungen mit Biontech/Pfizer oder AstraZeneca bieten guten Schutz vor der hochansteckenden Delta-Corona-Variante. Aber die Wirksamkeit nimmt mit der Zeit ab - und eine Infektion mit der Delta-Variante löst bei Vollgeimpften dann eine ähnlich hohe Viruslast aus wie bei Nichtgeimpften, fanden Wissenschafter der Universität Oxford in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie heraus. Sofern sie sich anstecken, könnten Geimpfte damit ähnlich ansteckend sei wie Nichtgeimpfte.
"Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung ist immer noch geringer, wenn Sie zwei Dosen erhalten haben. Aber wenn Sie es tun, haben Sie eine ähnliche Viruskonzentration wie jemand, der überhaupt nicht geimpft wurde", sagte Sarah Walker, Professorin für medizinische Statistik und Epidemiologie an der Universität Oxford, die die Studie leitete.
Bei der Alpha-Variante sei die Viruslast bei Menschen, die sich trotz einer Impfung infizierten, noch deutlich niedriger gewesen. "Die Tatsache, dass wir eine höhere Viruslast sehen, deutet darauf hin, dass Herdenimmunität tatsächlich schwieriger werden könnte", sagte der Oxford-Wissenschafter Koen Pouwels. "Impfstoffe sind wahrscheinlich am besten geeignet, schwere Krankheiten zu vermeiden und etwas weniger, um die Übertragung zu verhindern."
Impfdruchbrüche sind keine Überraschung
Wichtig zu betonen ist folgendes: Impfdurchbrüche, also Infektionen mit Symptomen bei vollgeimpften Personen, sind erwartbar. Sie sind auch in den Zulassungsstudien aufgetreten. Wären sie nicht aufgetreten, müsste man die Wirksamkeit der Vakzine mit 100 Prozent angeben. Weil sich aber in jenen Gruppen der Zulassungsstudien, die den Impfstoff und nicht das Placebo erhalten haben, eine gewisse Prozentzahl mit dem Virus infiziert hat, liegt die Wirksamkeit eben nicht bei 100 Prozent, sondern eben bei 95 Prozent (relativ), wie es bei Biontech/Pfizer der Fall ist.
Für die Studie, die noch nicht von unabhängigen Experten geprüft wurde, analysierten die Wissenschafter insgesamt Ergebnisse von mehr als drei Millionen Nasen- und Rachenabstrichen bei Erwachsenen in Großbritannien. Um die Zeiträume vor und nach der Verbreitung von Delta zu vergleichen, analysierten die Forscher etwa 2,58 Millionen Abstriche von rund 380.000 Erwachsenen zwischen Anfang Dezember und Mitte Mai sowie 810.000 Testergebnisse von 360.000 Teilnehmern zwischen Mitte Mai und Anfang August.
Biontech: Schutz gegen Delta nimmt rascher ab
Die Expertinnen und Experten kamen zu noch einer weiteren Erkenntnis: Die Wirksamkeit der Biontech/Pfizer-Vakzine nimmt schneller ab als die des Impfstoffs von AstraZeneca. Zwar hätten zwei Dosen des Biontech-Vakzins anfangs eine höhere Wirksamkeit gegen eine Infektion mit dem Virus, doch gehe diese schneller zurück als bei zwei Dosen Oxford-AstraZeneca. Ihre Auswertung ergab, dass Betroffene, deren zweite Biontech-Dosis einen Monatzurücklag, bei Infektionen mit hoher Viruslast zu 90 Prozent besser gegen die Delta-Variante geschützt waren als Ungeimpfte. Diese Zahl sank nach zwei Monaten auf 85 Prozent und nach drei Monaten auf 78 Prozent.
Bei zweimal mit dem AstraZeneca-Vakzin Geimpften lag der Schutz nach einem Monat bei 67 Prozent, nach zwei Monaten bei 65 Prozent und nach drei Monaten bei 61 Prozent. Nach vier bis fünf Monaten sei das Schutzniveau der beiden Impfstoffe ähnlich.
Diese Zahlen zeigten, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs von Biontech/Pfizer tatsächlich nachlasse, erklärte Pouwels. Dagegen könnte der über die Monate geringe Rückgang bei AstraZeneca "dem Zufall geschuldet" sein. Nun müsse noch die langfristige Wirkung der beiden Vakzine untersucht werden.
Pouwels hob gleichzeitig hervor, dass die Wirksamkeit der beiden Impfstoffe trotz "dieser leichten Abnahme des Schutzes" weiterhin "sehr hoch" sei. Auch hätten die Forscher nur den allgemeinen Schutz der Vakzine untersucht und nicht ihren Schutz "vor schweren Krankheitsverläufen und Krankenhausaufenthalten". Diese beiden Daten seien "für die Bewertung der Wirksamkeit von Impfstoffen" sehr wichtig.