Der geplante Badeausflug am Wochenende sorgt nicht bei allen für Vorfreude. Vor allem viele junge Menschen machen sich dabei oft Gedanken um das eigene Erscheinungsbild in Bikini oder Badehose. Viele haben sich aus diesem Grund die letzten Monate an strikte Diäten gehalten. Nicht immer – aber auch nicht selten – sind solche ein erster Schritt in Richtung ungesundem Essverhalten: „Am Beginn von Essstörungen stehen meist eine Diät sowie die Erfolge und positiven Reaktionen, die damit einhergehen können“, sagt Theresa Lahousen-Luxenberger. Die Psychiaterin betreut am LKH-Uniklinikum Graz stationär Erwachsene mit schwerwiegenden Essstörungen.
Früher Beginn
Der Beginn einer solchen Erkrankung liegt meist schon im Kindes- und Jugendalter. „Zusätzlich war die Pandemie wie ein Booster für Essstörungen. Die Anfragen häufen sich“, sagt die Medizinerin. Betroffen sind nach wie vor eindeutig mehr Frauen. Auf einen Mann mit Magersucht kommen im Schnitt zehn Frauen mit derselben Erkrankung.
„Essstörungen sind in den meisten Fällen ein Selbstwertthema. Betroffene definieren ihren eigenen Wert über die Figur und das Gewicht“, so die Expertin. Bei Magersucht führt das zu einer starken Reduktion der Nahrungsaufnahme. Der Tagesablauf dieser Frauen und Männer ist stark ritualisiert. „Sehr häufig betrifft das nicht nur das Essen selbst, sondern auch übermäßige sportliche Betätigung spielt eine große Rolle“, sagt die Psychiaterin. Das kann nicht selten zu sozialer Isolation führen: Denn zwanghaft müssen der Tagesablauf und die gewichtsreduzierenden Maßnahmen eingehalten werden. „Für Kino mit Freundinnen und Freunden oder Ähnliches bleibt oft keine Zeit.“
Vor allem Essenseinladungen werden zur Zerreißprobe. Aber nicht nur bei Menschen, die an Magersucht leiden: „Für Bulimiker ist eine Essenseinladung eine massive Belastung“, so Lahousen-Luxenberger. Auch bei Bulimie steht die eigene Figur stark im Fokus. Vor allem Stress löst hierbei das gestörte Essverhalten aus: „Man kann sich das so vorstellen: Verschiedene Stressoren führen dazu, dass sich die Person nicht wertvoll fühlt. Als Ausgleichsreaktion kommt es zu einer Fressattacke. Nach dieser empfinden Betroffene große Scham und es folgt ein Kompensationsverhalten.“
Wie die Fressattacke kompensiert wird, ist unterschiedlich. Die meisten Betroffenen übergeben sich gezielt, andere wiederum machen übermäßig Sport oder greifen zu abführenden Arzneimitteln. „Nach dem Essen entsteht bei den Patientinnen und Patienten ein großes Spannungsgefühl, das scheinbar nur durch dieses ausgleichende Verhalten abgebaut werden kann“, so die Expertin. In der Therapie setzt man daher auch darauf, eine andere Möglichkeit zu finden, nach dem Essen Spannung loszuwerden. Was dabei hilft, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die Strategien können von Spaziergängen bis zum Sudokulösen reichen.
Egal ob Bulimie oder Magersucht: In der Behandlung der beiden Erkrankungen ist gerade Psychotherapie wichtig. Vor allem die Verbesserung der Körperakzeptanz spielt dabei eine zentrale Rolle.