Wenn sich Menschen nach der vollständigen Impfung trotzdem mit SARS-CoV-2 infizieren, spricht man von einem Impfdurchbruch. Durch die schiere Masse an Menschen, die insgesamt schon immunisiert sind, erhöht sich auch die Anzahl dieser Fälle - und der Berichte darüber. Da es keinen perfekten Impfschutz gibt, ist das auch nicht überraschend. Der Wiener Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger rechnet mit sehr wenigen Durchbrüchen mit schweren Verläufen.
Schwere Verläufe bleiben selten
Schon in der Zulassungsstudie etwa zum Biontech/Pfizer-Impfstoff wurde klar, dass das Vakzin die Wahrscheinlichkeit einer Covid-19-Infektion gegenüber einer ungeimpften Kontrollgruppe um rund 95 Prozent reduziert. Man spricht von einer Wirksamkeit von 95 Prozent. Das ist aus pharmakologischer Sicht ein sehr guter Wert, der beim Moderna-Vakzin ähnlich hoch liegt. Die Werte für AstraZeneca und den Johnson & Johnson-Impfstoff (Janssen) liegen um die 60 Prozent bzw. darüber. Folglich ist mit einer gewissen Anzahl an vollständig geimpften Personen zu rechnen, die auch erkranken - allerdings immer prozentuell weniger als bei ungeimpften Personen und in den seltensten Fällen schwer, wie auch neue Studien zeigen, betonte Zeitlinger im Gespräch mit der APA.
Als Impfdurchbruch wird in Österreich ein Fall gewertet, wo sieben Tage nach dem Erhalt der zweiten Impfdosis bzw. 28 Tage nach Erhalt des nur einmal verabreichten Vakzins von Johnson & Johnson eine Covid-19-Infektion mit Symptomen wie Fieber, Kurzatmigkeit, Husten, Geruchs- oder Geschmacksverlust auftritt. Dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) wurden bis Stand 23. Juli 376 Fälle gemeldet.
Infektionen unter Ungeimpften viel höher
Die Frage, wie viele geimpfte Personen sich infizieren könnten, kann niemand beantworten. Das gehe nur näherungsweise über den Vergleich mit einer anderen großen Bevölkerungsgruppe, auf die dies nicht zutrifft. In den gerade von einer "ordentlichen Welle" betroffenen USA zeigen Daten, dass sich bei 162 Millionen Geimpften wöchentlich 35.000 Menschen anstecken. Diese relativ große Zahl müsse man in Relation mit den Zahlen unter Nicht-Geimpften sehen. Bei letzteren ist das Infektionsrisiko acht- bis zehnfach höher. Ebenfalls deutlich höher (25-fach) ist für Ungeimpfte das Risiko, einen schweren Verlauf zu entwickeln.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine britische Studie. Diese besagt, dass vollständig gegen Covid-19 Geimpfte ein deutlich geringeres Risiko haben, sich mit dem Coronavirus anzustecken als Ungeimpfte. Die Forscher des Imperial College London untersuchten zwischen Ende Juni und Mitte Juli insgesamt knapp 100.000 Proben von englischen Studienteilnehmern.
Daten aus Großbritannien, Israel und Kanada weisen darauf hin, "dass sich durch die Delta-Variante an der Anzahl der Impfdurchbrüche bei den Hospitalisierungen nichts verändert hat", so Zeitlinger. Über alle drei Länder hinweg zeige sich aber auch, dass die neue, in Österreich dominante SARS-CoV-2-Variante auch Geimpfte etwas leichter asymptomatisch oder mit leichten Krankheitssymptomen infizieren kann. Die Schätzungen liegen hier bei einer um 10 bis 30 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Viren-Typen. "Da ist Delta einfach aggressiver und entkommt der Impfung etwas besser", so Zeitlinger.
Vorerkrankungen als Grund für Durchbrüche
Der häufigste Grund für ein Durchbrechen ist insgesamt eindeutig ein durch Vorerkrankungen oder Krebstherapien geschwächtes Immunsystem. Hier kann der Körper mitunter nicht auf das Vakzin reagieren und keine ausreichende Antikörperantwort aufbauen. Der Impfschutz erscheint in dieser Gruppe um rund ein Drittel reduziert.
Die MedUni Wien bietet erwachsenen Patienten, bei denen eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird, im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie am AKH die Möglichkeit, eine dritte Teilimpfung zu erhalten.
Was die Rolle von Geimpften als potenzielle Überträger betrifft, zeige sich, dass vollständig geimpfte Infizierte weniger und über einen kürzeren Zeitraum Virus ausscheiden. Bei der Delta-Variate ist die Erregerlast aber mitunter deutlich erhöht und bleibt länger bestehen. "Der Geimpfte würde hier aber immer noch deutlich besser abschneiden." Allerdings gebe es Daten aus den USA, die zeigen, dass aufgrund der Aggressivität von Delta selbst die reduzierte Viruslast unter geimpften Infizierten so hoch ist, dass die Weitergabe ähnlich wahrscheinlich sei wie durch Ungeimpfte. Zeitlinger: "Das ist wahrscheinlich das Unangenehmste an der Delta-Variante."
Zur Impfung bewegen
Einen ähnlichen Effekt gibt es bei der zeitlichen Komponente: Während der Schutz vor Infektion bei Biontech/Pfizer nach rund vier Monaten von 95 auf 85 Prozent leicht falle, verhindert sie einen schweren Verlauf und Hospitalisierung weiterhin. "Das ist die gute Nachricht", die es auch erlaube, nicht gleich wieder mit einer dritten Dosis als Auffrischung nachzuimpfen, betonte Zeitlinger. Insgesamt muss für den Experten weiter der Fokus darauf liegen, jene Menschen in die Impfprogramme zu holen, die bisher keine Dosis erhalten haben.