Durch die Pandemie ist das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher für Krankheit und Gesundheit wieder angestiegen. Symptome werden genauer beobachtet, jeder kennt die Nummer der Gesundheitshotline und Fragen nach dem Befinden werden wieder ernsthafter gestellt.

Hat eine Person Fieber, ein gebrochenes Bein oder starke Kopfschmerzen ist klar, dass sich der Betroffene Ruhe gönnen darf und soll, um zu heilen. Handelt es sich aber um kein sichtbares und quantitativ messbares Leiden, gestaltet sich die Sache um einiges schwieriger. Dabei sind seelische Leiden, die auf den ersten Blick unsichtbar erscheinen, keine Seltenheit.


Die Studie „Psychische Gesundheit in Österreich“ aus dem Jahr 2020 zeigt, dass 39 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im Laufe ihres Lebens bereits an einer psychischen Erkrankung gelitten haben oder aktuell davon betroffen sind. Darüber offen zu sprechen, fällt vielen aber schwer. Nur 63 Prozent können sich vorstellen, mit engen Vertrauten über ihr Leiden zu reden. Am Arbeitsplatz ist die Hemmschwelle noch viel größer: 21 Prozent geben an, dass sie sich trauen würden, ihre Probleme vor Kolleginnen und Kollegen zu thematisieren.

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Angst vor Vorurteilen 

Doch woher rührt diese große Scheu, wenn doch Zahlen und Daten zufolge jeder Dritte hierzulande betroffen ist? Antworten von Betroffenen weisen alle in eine ähnliche Richtung: „Ich habe Angst, dass ich gekündigt werde, weil meine Chefin denken könnte, dass ich nicht belastbar bin“, sagt die eine. „Ein Freund von mir hat erst letztens gesagt, dass alle psychisch Kranken weggesperrt gehören. Ich hab Angst, meine Freunde zu verlieren“, sagt der andere. Oder: „Keiner weiß, was es genau heißt, eine Essstörung zu haben. Die Leute bekommen dann ein ganz falsches Bild von mir.“

Die Angst vor Stigmatisierung ist groß. Um psychische Erkrankungen wird nach wie vor der Mantel des Schweigens gehüllt. In der öffentlichen Wahrnehmung waren Patientinnen und Patienten immerhin viele Jahre nur als „gefährliche Verrückte“ in Film und Fernsehen zu sehen. Dass diese Bilder die Realität der meisten Betroffenen nicht einmal am Rande streifen, weiß Anna, die Ende 2020 selbst einige Monate wegen einer schweren depressiven Episode in einer Klinik war: „Ich habe dort viele Menschen kennengelernt und kann nur sagen: Niemand dort war verrückt. Es waren alle einfach nur krank.“

Neue Generation, neue Ansätze

Doch vor allem junge Menschen geben Anlass zur Hoffnung. Für die Generation Z wird es zunehmend normaler, über psychische Erkrankungen, Verstimmungen, Sorgen und Ängste zu sprechen. Immer öfter äußern sich Betroffene auch öffentlich in den sozialen Medien zu ihren eigenen Leiden – mit dem Ziel, der Tabuisierung entgegenzuwirken und anderen Menschen zu zeigen, dass sie mit ihrer Krankheit nicht allein sind.

In den nächsten Wochen soll jeden Samstag auf den Gesundheitsseiten der Kleine Zeitung ein Beitrag dazu geleistet werden, das Tabu rund um psychische Erkrankungen zu durchbrechen. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten werden Krankheitsbilder erklärt und Einblicke in den Alltag der Betroffenen gegeben – um gemeinsam Vorurteile abzubauen.

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