Um das Auftreten einer SARS-CoV-2-Variante, die den Impfschutz umgehen kann (Fluchtvariante), möglichst zu verhindern, sollten Eindämmungsmaßnahmen wie Maskentragen oder Abstandhalten bis zum Ende von Impfkampagnen aufrecht bleiben. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern vom Institute of Science and Technology (IST Austria) in Klosterneuburg (NÖ) im Fachblatt "Scientific Reports". Gerade in Zeiten relativ hoher Impfraten sollte man besonders aufpassen.

Das Team um Fyodor Kondrashov und Simon Rella hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie wahrscheinlich die Ausbreitung von Fluchtvarianten unter verschiedenen Bedingungen ist. Dazu haben die Wissenschafter ein klassisches epidemiologisches Model um evolutionäre Annahmen zur Entstehung von seltenen Mutationen sowie den Einfluss von Immunisierungen durch Impfungen auf die Pandemie erweitert, erklärten sie im Rahmen eines von dem Fachjournal organisierten Online-Pressetermins.

Dass sich Krankheitserreger munter verändern können, haben die vergangenen Verwerfungen in der Pandemiebekämpfung durch die bekannten Varianten eindrücklich gezeigt. "Die Evolution ist schwer zu prognostizieren", konstatierte Kondrashov, klar festhalten könne man aber, dass ein Erreger wie das SARS-CoV-2-Virus eher dann eine Mutation entwickelt, die einer durch Impfung aufgebauten Immunabwehr davonläuft, wenn er möglichst viele Chancen dazu erhält. Jeder Mensch, der über den Pandemieverlauf infiziert ist, "ist wie ein Mini-Bioreaktor" - vulgo mögliche Mini-Brutstätte einer neuen Variante, so Rella. Daher seien "die Impfstoffe unsere beste Option", um das zu verhindern.

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Das illustriere, wie wichtig möglichst rasch und breit durchgeführte Impfkampagnen sind - und zwar auf globaler Ebene, so die Forscher, die im Zuge ihrer Berechnungen aber auch auf einen paradox erscheinenden Effekt stießen: Laut ihren Analysen ist das Risiko, dass sich eine Fluchtvariante etabliert, dann erhöht, wenn bereits ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist, die Übertragungswege aber gleichzeitig nicht durch Eindämmungsmaßnahmen kontrolliert werden, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Gerade wenn bereits viele gegen einen Wildtyp und Co immunisiert sind, kämen die Vorteile einer Fluchtvariante nämlich noch deutlicher zum Tragen und sie verteilt sich schneller in der Bevölkerung.

In den über drei Pandemiejahre laufenden Berechnungen zeigte sich auch, dass ein solcher Erreger mit höherer Wahrscheinlichkeit auftritt, wenn ungefähr 60 Prozent der simulierten, zehn Millionen Menschen zählenden Population immunisiert waren. Zum Vergleich: In Österreich wurden bisher knapp unter 60 Prozent der Bevölkerung teil- und knapp über 50 Prozent vollimmunisiert.

Gegen dieses Szenario könne man sich aber wappnen: "Unser Modell zeigt auch, dass wenn die Impfkampagne knapp vor ihrem Abschluss steht, und nicht-pharmazeutische Interventionen aufrecht bleiben, es die Chance gibt, dass impfstoffresistente Mutationen komplett aus der Viruspopulation eliminiert werden", sagte Rella.

Die Ergebnisse würden insgesamt zeigen, dass mit Fortdauer der Pandemie auch neue Faktoren abseits vom Blick auf Infizierten- oder Todeszahlen entscheidend werden. Man müsse jetzt vielfach darauf achten, die Weiterentwicklung des Virus möglichst zu unterbinden, betonte Kondrashov.

Aus dieser Perspektive erscheine es auch nicht sinnlos, wenn man Menschen dazu rät, auch noch Masken zu tragen, wenn sie schon geimpft sind. Denn es sei immer möglich, dass ein unerkanntes resistentes Virus bereits existiert, dem man auch am Ende der Impfkampagne die Übertragungswege abschneiden muss. Hier brauche es ein gewisses Umdenken, zeigten sich die Studienautoren überzeugt, die mit ihrer Arbeit auch einen Beitrag zur Diskussion über die Rücknahme von Eindämmungsmaßnahmen liefern wollen.

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