Homöopathika kommt unter den Arzneimitteln eine Sonderstellung zu, sie sind umstritten. Für die einen ist die Therapieform aus dem 18. Jahrhundert Ergänzung oder sogar Alternative zur Schulmedizin, Kritiker sprechen zumindest von Irreführung. Das Informationsnetzwerk Homöopathie stellt fest: "Ein auf diesen Grundlagen aufbauendes Therapiesystem kann keine auf das eingesetzte Mittel zurückzuführende und über Placeboeffekte hinausgehende Wirksamkeit entfalten."

Während herkömmliche Medikamente auf Wirkung und Nebenwirkung durchleuchtet werden (müssen), ist das bei Globuli und Co. gar nicht notwendig. Schließlich sind die Ausgangsstoffe so stark verdünnt, dass sie wissenschaftlich nicht mehr nachweisbar sind. Und genau daran stößt sich das Oberlandesgericht Frankfurt, das nun zweitinstanzlich verfügt hat, dass Homöopathika in deutschen Apotheken nicht mehr mit ihren angeblichen Ausgangsstoffen beworben werden dürfen.

Wirkstoffe, bis zur Unkenntlichkeit verdünnt

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Matthias Wendland, Universitätsprofessor am Institut für Unternehmensrecht der Uni Graz, erklärt: "Was als Inhaltsstoff angegeben wird, muss auch nachweisbar sein." Das Frankfurter Urteil nehme die Homöopathie beim Wort, wie der Jurist aus Deutschland meint. Schließlich werbe sie selbst mit der extremen Verdünnung der Ausgangsstoffe. Mit einem Ausgangsstoff, der auch molekular kaum noch nachweisbar ist, kann daher auch nicht geworben werden. Das sei Anhängern der Homöopathie zwar klar, aber "man kann nicht davon ausgehen, dass dieser Umstand allen Menschen bekannt ist." Deshalb bleiben nun zwei Optionen: Entweder die Werbung wird eingestellt, oder die Dosis der Ausgangsstoffe wird nachweislich erhöht. Bei exotischen und teils giftigen Ausgangsstoffen wie Schwefel oder Tollkirsche vermutlich keine gute Idee.

Zum Zeitpunkt des Urteils meint Wendland: "Man kann natürlich fragen, warum das erst jetzt festgestellt wurde. Offenbar hat man das lange nicht hinterfragt. Aber es brauchte eben auch einen Kläger." In diesem Fall ist es eine Interessensgemeinschaft, die sich von einem anders lautenden erstinstanzlichen Urteil nicht entmutigen ließ. Aber das letzte Wort ist in der Sache wohl noch nicht gesprochen. Gegen das Urteil kann jederzeit angegangen werden. Auch, wenn man laut Wendland an dem Frankfurter Urteil "nicht vorbeikommt".

Andererseits sei das "deutsche Lauterkeitsrecht auch unionsrechtlich determiniert" und deshalb wird die Erkenntnis wohl auch im restlichen EU-Raum durchschlagen – "in einigen Jahren", schätzt Wendland. Derzeit habe der Spruch vor allem Signalwirkung, könne sich aber relativ schnell zu einer "ständigen Rechtsprechung verfestigen". Auch in Österreich.

Die Situation in Österreich

Rechtlich sind Homöopathika aufgrund des Arzneimittelgesetzes und der europäischen Humanarzneimittelrichtlinie als Arzneimittel klassifiziert und dürfen daher nur in Apotheken abgegeben werden. Die Österreichische Apothekerkammer sieht das Urteil allerdings gelassen. Kammersprecher Jan Thies weist darauf hin, dass "uns das Urteil nicht im Volltext bekannt ist". Wesentlich sei die Unterscheidung zwischen Werbung und Kennzeichnung von homöopathischen Arzneimitteln. Die Kennzeichnung ist im österreichischen Arzneimittelgesetz klar geregelt: Ursubstanzen wie Verdünnungsgrad müssen angegeben werden. Und weil die "Laienwerbung" – also Werbung, die sich an die Bevölkerung richtet - hierzulande ohnehin nicht erlaubt sei, erwarte man sich keine Auswirkungen in heimischen Apotheken.

Rosemarie Brunnthaler-Tscherteu, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin, argumentiert ähnlich. Auch Sie verweist auf das Verbot von Laienwerbung: "Laienwerbung für homöopathische Arzneispezialitäten ist in Österreich verboten." Ihren Angaben zufolge verwenden rund 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung zumindest einmal im Jahr Homöopathika. Diesem Wunsch nach "integrativer Medizin" werde man gerecht, hieß es.

Welche Rolle soll die Homöopathie spielen?

Rechtsanwalt Sascha Jung, auf Lauterkeitsrecht spezialisierter Partner der Wiener Kanzlei JWO/Deloitte Legal, beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Für ihn ist diese Argumentation nicht schlüssig: "Laienwerbung ist verboten, aber was ist mit Fachwerbung an Ärzte und Apotheker, mit Besuchen von Pharmareferenten oder Verkaufsveranstaltungen?" Das deutsche Urteil beschränke sich nicht auf ein Verbot der Laienwerbung, sondern formuliere ein generelles Werbeverbot. Dass die Hersteller von Homöopathika auch außerhalb der Laienwerbung massiv Werbung betreiben, ist für Jung unbestritten und gesetzlich nicht verboten. "Das wäre aber bei gleichlautendem Urteil in Österreich untersagt."

Auch die Kennzeichnungspflicht lässt Jung nicht gelten, denn diese täusche über wesentliche Produktmerkmale hinweg und könne somit nicht dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, womit jedoch dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot der Vorrang zu geben sei.

Jung führt noch weitere rechtliche Argumente gegen die Bewerbung und Kennzeichnung von Homöopathika mit ihren Ausgangsstoffen ins Feld, die letztlich auch eine übergeordnete Frage implizieren, nämlich: Welche Rolle kann und soll die Homöopathie in der Gegenwart spielen - und unter welchen Vorzeichen?