Fast könnte man meinen, man erlebt ein Déjà-vu. Auf die Euphorie, wieder ein Stückchen des alten Lebens zurückbekommen zu haben, folgt die nächste, weniger frohe Kunde. Denn die Delta-Variante von Sars-CoV-2 hat in Österreich vor etwa drei Wochen das Geschehen übernommen und sorgt für steigende Infektionszahlen – gestern wurden 332 Neuinfektionen gemeldet – die Siebentagesinzidenz ist leicht steigend und liegt aktuell bei 15,2. Diese Entwicklung ist nicht überraschend. Der Anstieg ist die logische Konsequenz der Öffnungsschritte. Die Delta-Variante sorgt für ein zusätzliches Plus. „Das war zu erwarten“, sagt Simulationsforscher Nikolas Popper (TU Wien). Er fügt hinzu: „Die Zahlen werden nun wohl recht rasch ansteigen.“

Die Regierung hat bereits Verschärfungen angekündigt.  "Wir dürfen den 'Fehler des Vorjahres' nicht wiederholen“, heißt es etwa von Gesundheitsminister Mückstein. Mehr dazu lesen Sie hier.

Wobei die Situation in Österreich regional sehr unterschiedlich ist, in einigen Regionen gibt es größere Cluster bzw. Ausbrüche – so etwa jener, der in der Disco Almrausch in Lannach seinen Ausgang genommen hat. Andere Regionen wiederum sind kaum betroffen. „Wir sehen aktuell einige Mini-Epidemien“, erklärt Popper. Das ist auch den unterschiedlichen Impffortschritten in den Regionen geschuldet. Grundsätzlich sind 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung immunisiert, die andere Hälfte ist es nicht. Aber dieses Bild verteilt sich nicht gleichmäßig über Österreich. Bricht man die Impfquote auf Gemeindeebene hinunter, zeigen sich große Unterschiede.

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Juli 2020 vs. Juli 2021

Die nächsten Öffnungsschritte sollen am 22. Juli vorgenommen werden. So wird die Kapazitätsbeschränkung in der Gastronomie fallen, ebenso die Maskenpflicht im Handel. Vergleicht man die Situation mit dem Juli des Vorjahres, sieht man, dass auch 2020 Anfang des Monats die Zahlen zu steigen begonnen haben und sich dann im Verlauf des Julis recht stabil zwischen 1000 und 1500 aktiven Fällen pro Tag Fällen bewegten.

Eine Steigerung ist auch in den nächsten Wochen zu erwarten. „Aber wie sehr interessiert es uns, dass die Fälle steigen? Wie hoch lassen wir sie steigen?“, sagt Popper. „Das sind Fragen, die die Politik beantworten muss.“ Der große Unterschied zum Sommer des Vorjahres ist die Verfügbarkeit der Impfstoffe bzw. der Impffortschritt. Letzterer sorgt aktuell für eine stabile Lage in den Spitälern und auf deren Intensivstationen. Denn alle in der EU zugelassenen Vakzine schützen wirkungsvoll vor einem schweren Verlauf und damit vor Hospitalisierung.

Die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, war das erklärte Ziel der verhängten Maßnahmen in den vorangegangen Wellen. Die Gefahr einer solchen Überlastung sieht Popper aktuell nicht. Was aber nicht bedeutet, dass man unvorsichtig werden sollte. „Wir müssen weiter testen und schnell impfen.“ Denn die Erfahrung zeigt, dass die steigende Zahl an Neuinfektionen sich – zeitverzögert – in den Spitälern abbildet.

"Welle unter den Ungeimpften"

Hinzukommt, dass sich vor allem ungeimpfte Bevölkerungsgruppen mit der Delta-Variante infizieren werden. „Es wird eine Welle der unter den Ungeimpften“, sagt Epidemiologe Gerald Gartlehner (Donauuniversität Krems). Nun sei es notwendig, mit Aufklärung sowie unterschiedlichen Anreizen auch jene Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die noch nicht geimpft sind.

Popper gibt zu bedenken: „Wenn von 1000 Neuinfizierten pro Tag nur ein Prozent hospitalisiert werden muss, sind das zehn Personen täglich.“ Auf Basis dieser Berechnung fügt er hinzu: "Man kann sich impfen lassen oder infizieren – eine dritte Variante gibt es nicht."

Anmerkung: Wir haben in Absprache mit Niki Popper das letzte Zitat dieses Artikels angepasst und das Wort erkranken gegen infizieren getauscht.