Der deutsche Virologe Christian Drosten plädierte angesichts einer befürchteten Ausbreitung der Delta-Variante dafür, das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Impfung zu stärken. "Das ist wirklich das, was wir jetzt machen müssen", postulierte der Wissenschafter der Berliner Charité im Podcast "Coronavirus-Update" (NDR-Info).
Drosten legte sich nicht fest, ob es beim Infektionsgeschehen zu einer Trendumkehr wegen Delta bereits im Sommer oder erst im Herbst kommen könnte. Im Herbst werde die Inzidenz auf jeden Fall wieder steigen, sagte er - und hob die Bedeutung der Impfung bei Eltern von Schulkindern hervor. "Wir müssen einfach schnell impfen", lautet der Appell des Virologen. Reiche dies nicht, müsse man erneut mit Kontaktbeschränkungen gegensteuern. "Aber es gibt auch gute Gründe zu denken, dass das in Deutschland nicht notwendig wird."
In England, wo sich die Corona-Lage wegen der ansteckenderen, in Indien entdeckten Mutante wieder verschlechtert hat, sei die Sieben-Tage-Inzidenz ausgehend von einem Niveau von 25 wieder angestiegen. "Man hatte nicht so weit runtergebremst, wie wir das jetzt in Deutschland schon gemacht haben." Hierzulande lag der Wert zuletzt bei unter 10 Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohner.
Aktuelle Zahlen aus Deutschland
In Deutschland lag der Wert zuletzt bei 7,2 Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohner, wie aus RKI-Daten vom Mittwochmorgen hervorgeht (Vortag: 8,0; Vorwoche: 13,2). Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 1.016 neue Infektionen (Vorwoche: 1455). In Deutschland hatte der Anteil der Delta-Variante in einer Zufallsstichprobe nach Daten des RKI zuletzt bei gut sechs Prozent (Woche vom 31. Mai bis 6. Juni) gelegen. Aktualisierte Daten werden für Mittwochabend erwartet.
Verursacht Delta eine höhere Viruslast?
Der Virologe verwies zum Beispiel auch darauf, dass es nach Deutschland wohl keine so hohe Zahl an unabhängigen Eintragungen der Variante - etwa direkt aus Indien - gegeben habe. In England gebe es zudem eine etwas andere Struktur in der Bevölkerung mit asiatischstämmigen Communitys, in denen das Virus anfangs hochgekommen sei. "Deswegen kann es auch sein, dass sich das bei uns nicht so einstellt." Ein weiterer großer Vorteil sei, dass in Deutschland die Sommerferien bevorstehen.
Aus eigenen Labordaten gebe es erste Hinweise, dass Menschen, die mit der Delta-Variante infiziert sind, eine noch höhere Viruslast haben als Infizierte mit der Alpha-Variante (B.1.1.7), berichtete Drosten. Bisherige Daten geben für ihn Signale, dass Delta etwas schwerere Verläufe verursache. Der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf für vollständig Geimpfte sei im Vergleich zur noch in Deutschland dominierenden Variante Alpha aber gleichwertig. Der Schutz nur durch die Erstimpfung gilt jedoch als schwächer verglichen mit der Wirkung gegen früheren Virusformen.
Der Sinn der Impfung
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte unterdessen, dass auf "Impfskeptiker und Impfleugner" zugegangen werden müsse. "Wenn wir nicht auch einen Teil dieser Gruppe vom Sinn der Impfung überzeugen, werden wir die Herdenimmunität nicht erreichen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mit Blick auf die hoch ansteckende Delta-Variante erklärte der Deutsche: "Wer sich nicht impfen lässt, wird sich früher oder später mit dem Coronavirus infizieren."