Auch im zweiten Jahr der Pandemie wird weiter auf Hochtouren nach Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona geforscht. Laut einer Studie der Prüfungs-und Beratungsgesellschaft EY befanden sich Anfang Juni 260 Vakzine und über 500 Therapeutika gegen das Virus in der Entwicklung. Zudem seien inzwischen mehr als 1.000 verschiedene Corona-Tests auf dem Markt. Vor allem der Bedarf an Arzneien sei hoch, angesichts der neuer Virus-Varianten seien aber auch weitere Impfstoffe nötig.

"Die große Sorge, die wir alle haben müssen, ist die deutlich geringere Impfquote in ärmeren Ländern", sagte EY-Experte Alexander Nuyken am Montag. Diese seien ein Brutkasten für weitere Varianten. "Das ist ein erhebliches Problem für die weitere Entwicklung der Pandemie." Nach Schätzungen von EY haben bisher nur 0,8 Prozent der Menschen in einkommensschwachen Ländern mindestens eine Impfdosis erhalten und insgesamt 20,7 Prozent der Weltbevölkerung. "Erst wenn deutlich über 60 Prozent der Weltbevölkerung vollständig geimpft ist, wird die Zahl der Varianten voraussichtlich zurückgehen", sagte Klaus Ort, Leiter des Bereiches Life Sciences und Healthcare bei EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zwar seien die Karten für die Impfstoffentwicklung weitgehend verteilt, neue Virus-Varianten könnten aber den Bedarf an neuen Vakzinen fördern.

In der EU sind derzeit vier Covid-Impfstoffe zugelassen, 17 weitere befinden sich der EY-Untersuchung zufolge in der entscheidenden dritten Phase der klinischen Entwicklung. Die Unternehmen, die jetzt noch kein Mittel in der zweiten und der dritten Phase der Entwicklung haben, dürften es nach Einschätzung Nuykens schwer haben, noch eine relevante Rolle zu spielen. Andererseits steige der Bedarf nicht nur mit neuen Varianten. Auch seien die mRNA-Impfstoffe von BioNTech und Moderna wegen der erforderlichen Kühlkette weniger geeignet für den Einsatz in Entwicklungsländern. Von Vorteil sei es zudem, wenn ein Vakzin wie das von Johnson & Johnson nur eine Dosis erfordere.

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Kann ein Mittel gegen Bandwürmer bei Covid-19 helfen?

In der Medikamentenforschung geht es nicht nur um Neuentwicklungen, es geht auch darum, bestehende Präparate auf ihre Wirkung gegen Covid-19 zu untersuchen. Diesen Vorgang nennt man "Repurposing". Die Berliner Charité prüft aktuell in einer klinischen Studie, ob sich das Bandwurmmittel Niclosamid als wirksam gegen Covid-19 erweist.

Forschende des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung an der Charité und der Universität Bonn analysierten den Angaben zufolge, wie das Virus den Stoffwechsel der Wirtszelle zu seinen Gunsten umprogrammiert. Wie sie im Fachblatt Nature Communications berichteten, konnten sie vier Wirkstoffe identifizieren, die die Vermehrung des Virus in Zellen hemmen: die körpereigenen Stoffe Spermin und Spermidin, das experimentelle Krebsmedikament MK-2206 und das Bandwurmmittel Niclosamid. Letzteres habe die Produktion infektiöser Sars-CoV-2-Partikel um mehr als 99 Prozent gesenkt und damit den größten antiviralen Effekt gezeigt.

"Niclosamid hat in unseren Zellkultur-Untersuchungen den stärksten Effekt gezeigt und ist außerdem ein seit Jahren für Bandwurm-Infektionen zugelassenes Medikament", erklärte Marcel Müller vom Institut für Virologie an der Charité. Es sei außerdem bei potenziell wirksamen Dosierungen"gut verträglich. "Wir halten es für den vielversprechendsten der vier neuen Wirkstoffkandidaten." In der klinischen Studie will die Charité jetzt überprüfen, ob das Mittel bei Patientinnen und Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Covid-19 sicher anwendbar, verträglich und wirksam ist. Für die Studie werden noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht.