In Deutschland hat die Diskussion rund um die Covid-Schutzimpfung für Kinder ab zwölf Jahren länger gedauert - bzw. dauert diese immer noch an. Denn noch gibt es keine offizielle Stellungnahme der Ständigen Impfkommission. Die Stiko ist quasi jenes Gremium, das in Österreich Nationales Impfgremium heißt. Diese Stellungnahme der Stiko wird den Einsatz des mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer nicht für die gesamte Altersgruppe der über Zwölfjährigen empfehlen. Das berichtet das Magazin "Business Insider" und beruft sich auf einen internen Beschlussentwurf der Kommission.
Dieser legt nahe, nicht alle gesunden Jugendlichen, sondern hauptsächlich jene mit bestimmten Vorerkrankungen zu impfen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Laut Ansicht der Expertinnen und Experten gelte dies bei Fettleibigkeit sowie bestimmten Erkrankungen des Immunsystems, einer ausgeprägten Herzschwäche und einer schweren Form der Zyanose. Auch bei bestimmten Formen des Bluthochdrucks oder von Lungenerkrankungen, sei eine Impfung anzuraten. Weiters genannt werden: Down-Syndrom, Einschränkungen der Nierenfunktion, bösartige Tumorerkrankungen, chronische Erkrankungen des Nervensystems.
Covid-Impfungen bei Kindern
Individualschutz und Schutz von Kontakpersonen
Abseits des Individualschutzes gibt die Stiko für Jugendliche eine zweite Empfehlung ab. Auch wenn sich „in deren Umfeld Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können“. Diese gelte auch, wenn der Verdacht bestehe, dass der Impfschutz bei diesen Personen nicht ausreiche – dies betreffe zum Beispiel Patienten, deren Immunsystem im Zuge einer medizinischen Behandlung künstlich unterdrückt werde.
Für gesunde Jugendliche rät die Stiko: "Der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren ohne Vorerkrankungen wird derzeit nicht allgemein empfohlen." Die einschränkte Empfehlung bedeutet nicht, dass sich gesunde Jugendliche nicht impfen lassen dürfen. Dies sei „nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Jugendlichen beziehungsweise der Sorgeberechtigten“ möglich.
Unterschiedliche Diskussion in Deutschland und Österreich
Die Stellungnahme der Stiko unterscheidet sich von jener des NIG in Österreich. Denn das NIG hat sich kurz nach der Zulassung durch die EMA für die Impfung von Jugendlichen in Österreich ausgesprochen - bezogen auf den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Während das NIG sich, in Bezug auf die Abwägung von Nutzen und Risiko des Vakzins betrifft, auf die Zulassungsstudie mit 2200 Probandinnen beruft, sieht die Stiko diese Daten als skeptisch an. Das hat der Vorsitzende der Stiko, Thomas Mertens, in der Vorwoche im "Corona Update"-Podcast des NDR gesagt. "1,3 Prozent der geimpften Kinder, nur von diesen 1100, hatten nach Einschätzung der Studien schwere Reaktionen. Also der Impfstoff ist schon sehr reaktogen, wie wir sagen, bei den Kindern", so Mertens.
Reaktogenität, dieser Begriff beschreibt, wie sehr oder wie stark ein Impfstoff Impfreaktionen hervorrufen kann. Ganz generell gelten beide zugelassenen mRNA-Vakzine von Biontech sowie Moderna, als sehr reaktogen. Das bedeuten, in der Regel werden, vor allem bei jüngeren Altersgruppen, starke Impfreaktionen erwartet: Fieber, starke Kopfschmerzen oder auch Gliederschmerzen.
Österreichische Experten interpretieren die Daten anders als die Kolleginnen der Stiko. So sagt Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien: „Die Gruppe der jungen Erwachsenen, die vom Alter an die Gruppe der Zwölf- bis 16-Jährigen angrenzt, ist jene Population, mit welcher wir die längste Erfahrung haben.“ Hier habe man Daten schon vor einem Jahr im Rahmen der Phase-I- und -II-Studien sammeln können. „In Bezug auf das Immunsystem ist etwa ein 15-Jähriger von einem 18-Jährigen nicht sehr weit entfernt.“
Generell sind unterschiedliche Bewertungen in Bezug auf die Covid-Impstoffe zwischen Deutschland und Österreich zu bemerken. Während Deutschland etwa zeitweise die Verimpfung des Vakzins von AstraZeneca ausgesetzt hatte, wurde in Österreich weiter auf das schwedisch-britische Präparat gesetzt. Hingegen wird in Deutschland nach einer Erstimpfung mit AstraZeneca eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff geraten. Das NIG wiederum rät in seiner Anwendungsempfehlung von Anfang Juni von diesem heterologen Impfschema ab, möglich sei die Verabreichung auf Wunsch der Patientinnen und Patienten aber sehr wohl.