Berichte aus Israel über einen möglichen Zusammenhang zwischen seltenen Fällen von Herzmuskelentzündung (Myokarditis) und Corona-Impfungen sind aus Sicht eines deutschen Kardiologen und Pharmakologen wenig überraschend und sollten für Geimpfte kein Grund zur Sorge sein. "Das kommt nicht unerwartet und beunruhigt mich nicht. Es geht um wenige Hundert Fälle einer Erkrankung mit meist mildem Verlauf bei insgesamt mehr als fünf Millionen Geimpften", sagt Thomas Meinertz.
Auch bei anderen Impfungen
Von anderen Impfungen sei bekannt, dass danach in seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen auftreten könnten, ausgelöst durch eine überschießende Immunreaktion. Ob es sich bei den Fällen in Israel um eine solche Reaktion handelt, ist aber noch völlig offen. Meinertz weist auch auf die geschärfte Selbstwahrnehmung vieler Menschen nach einer Impfung hin. "Viele Patienten haben eine Erwartungshaltung und berichten dann zum Beispiel von Herzrhythmusstörungen". Dabei handle es sich um das normale Grundrauschen, das nun bemerkt wird.
Eine Myokarditis könne nur mit einer Biopsie des Herzmuskels sicher diagnostiziert werden, sagte er. Bei den meist leichten Fällen in Israel sei sie suggestiv diagnostiziert worden, zum Beispiel anhand von Beschwerden wie Brustschmerz, mit Echokardiogramm, Laborwerten, mittels MRT oder EKG. "Das EKG gibt nur einen Hinweis." Die Berichte seien kein Anlass, die Corona-Impfung generell in Zweifel zu ziehen, sagte der Mediziner aus dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Für den Professor spricht trotz der Myokarditis-Fälle nichts dagegen, Kinder mit Vorerkrankungen zu impfen, die im Fall einer Corona-Infektion ein erhöhtes Risiko für Covid-19-Komplikationen haben.
Teilweise Vorerkrankungen
Ein Ausschuss des israelischen Gesundheitsministeriums hält eine Verbindung zwischen der Corona-Impfung, vor allem der zweiten Dosis, mit einer Herzmuskelentzündung für wahrscheinlich. Nach Untersuchung von 275 Fällen von Myokarditis zwischen Dezember 2020 und April 2021 kam das Expertenteam zu dieser Schlussfolgerung. 148 Fälle von Myokarditis seien in zeitlicher Nähe zu Impfungen aufgetreten - davon 27 Fälle von 5,4 Millionen, die eine erste Dosis erhalten haben, und 121 Fälle von gut fünf Millionen, die eine Zweitimpfung erhalten haben. Etwa die Hälfte der Myokarditis-Patienten litten den Angaben zufolge an Vorerkrankungen.
„Das betrifft nicht nur die Myokarditis, also den Herzmuskel, sondern auch die Perikarditis, das ist eine Herzbeutelentzündung. Die wurden nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gemeldet, sowohl der von Pfizer/ Biontech als auch Moderna. Da unterscheiden sich die Impfstoffe nicht“, sagte Virologin Sandra Ciesek im NRD Podcast „Corona Update“. „Das Gute ist, dass die meisten Patienten sich schnell erholt haben und auf körperliche Schonung oder Medikamente angesprochen haben“, so Cisek.
Vor allem junge Männer betroffen
Die Erkrankung betreffe insbesondere jüngere Männer im Alter von 16 bis 30 Jahren, vor allem im Alter von 16 bis 19 Jahren. In 95 Prozent der Fälle handle es sich aber um eine leichte Erkrankung, die binnen weniger Tage vorbeigehe. Meinertz betonte, dass solche Entzündungen meist von allein ausheilten, nur wenige Patienten behielten Leistungseinschränkungen zurück.
„Meistens waren das männliche Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 oder älter. Das liegt einfach daran, dass man damals die unter 16-Jährigen nicht geimpft hat. Deswegen kann man dazu keine Aussage machen“, sagt Ciesek. Der Nutzen der Impfung sei größer als das Risiko. Trotzdem bedeute das, dass man das weiter beobachten muss und immer wieder abwägen solle, ob dann für eine bestimmte Altersgruppe vielleicht nicht mehr der Vorteil überwiegt.
"Kein Risikosignal"
Im aktuellsten Sicherheitsbericht zu Covid-19-Impfstoffen des Paul-Ehrlich-Instituts vom 7. Mai heißt es, auf der Basis der vorhandenen Daten aus Deutschland sei "kein Risikosignal" in Bezug auf Herzmuskelentzündungen zu sehen. Man werde Berichte darüber weiter überwachen und untersuchen. Viele Herzmuskelentzündungen verlaufen nach PEI-Angaben symptomlos oder mit unspezifischen Symptomen.
„Die Frage der Induktion von Myokarditiden durch den mRNA-Impfstoff ist nicht abschließend geklärt. Wir bewegen uns da hart an der Grenze von einem Signal. Und da kann man sich sehr leicht Szenarien vorstellen, wo man dann hinterher sich sagen muss: Na ja, wir haben vielleicht doch nicht das Beste für die Kinder getan, indem wir alle gesunden Kinder jetzt geimpft haben“, sagt Thomas Mertens von der Stiko. Die Zahl der in der Studie geimpften Kinder sei einfach zu gering, um eine belastbare Aussage über die Sicherheit in dieser Altersgruppe zu machen.