Viele Frauen freuen sich über eine Schwangerschaft. Bei all der Freude ist eine Schwangerschaft aber oft auch mit Unsicherheiten verbunden. Was darf ich essen? Wie soll ich mich verhalten, um das Baby im Bauch nicht zu gefährden? In Zeiten der Coronavirus-Pandemie werden diese Unsicherheiten noch verstärkt, denn schwangere Frauen haben ein höheres Risiko an schweren Verläufen zu erkranken.
Seit einigen Wochen können in Österreich aus diesem Grund auch Schwangere gegen Covid-19 geimpft werden: Das Nationale Impfgremium (NIG) hat die Impfung für Schwangere empfohlen und sie in der Priorität hochgestuft. Besonders zu mRNA-Impfstoffen wird geraten.
Doch nicht erst seit dieser Empfehlung gibt es zahlreiche kritische Stimmen zu den Covid-Schutzimpfungen. Schädlich und gefährdend seien die Vakzine für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder. Beleg für diese Behauptung sind Zahlen einer Studie aus den USA: Laut dieser erlitten 13,9 Prozent der geimpften Schwangeren eine Fehlgeburt und 9,4 Prozent eine Frühgeburt. Stimmen diese Zahlen und wenn ja, was bedeuten sie? Zeit für einen Faktencheck.
Faktencheck: Verursacht die Covid-Impfungen Fehlgeburten?
Veröffentlicht wurde die Studie im medizinischen Journal "The New England Journal of Medicine". 3.958 schwangere Frauen wurden mit dem BioNTech/Pfizer oder dem Moderna-Impfstoff geimpft und befragt. Die Daten wurden verschiedenen Datenbanken entnommen, etwa dem Tool VAERS. Das ist die Plattform der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC, auf welcher vermutete Impf-Nebenwirkungen dokumentiert werden.
Kommen wir zu den Zahlen: Den vorläufigen Ergebnissen zufolge hatten tatsächlich 13,9 Prozent der Frauen in der Studie eine Fehlgeburt, 9,4 Prozent eine Frühgeburt und bei 3,2 Prozent der Frauen waren die Babys bezogen auf das Reifealter zu klein. Alle Werte liegen verglichen mit sonstigen Raten von Fehl- oder Frühgeburten aber im Durchschnitt oder teilweise sogar darunter. Zu beachten gilt dabei, dass nur rund 29 Prozent der Frauen im ersten Trimester, 43 Prozent im zweiten Trimester und 26 Prozent im dritten Trimester geimpft wurden und die Studie nur eine kleine Stichprobe umfasste. Die meisten Fehlgeburten finden zu Beginn der Schwangerschaft statt.
Fehlgeburten
Dem medizinischen Journal "The Lancet" (2021) zufolge liegt das Gesamtrisiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, unter allen wahrgenommenen Schwangerschaften bei 15,3 Prozent. Die US-Stiftung "March of Dimes" gibt das Risiko mit zehn bis 15 Prozent an. Die US-Organisation Planned Parenthood nennt zehn bis 20 Prozent. Laut dem wissenschaftlichen Informations-Portal "Science Direct" (2019) ist die Fehlgeburt die häufigste Komplikation in der Schwangerschaft. Berichten zufolge hätten 12 bis 24 Prozent der Frauen mit positivem Schwangerschaftstest eine Fehlgeburt.
Fehlgeburten werden nicht einheitlich definiert. Normalerweise spricht man aber vor der 20. Schwangerschaftswoche von einer Fehlgeburt ("miscarriage", "early pregnancy loss", "fetal demise", oder "spontaneous abortion"), nach der 20. Schwangerschaftswoche von einer Totgeburt ("stillbirth"). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht diese Teilung in der 28. Schwangerschaftswoche.
Frühgeburten
Zu Frühgeburten zählen alle Geburten vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche, schreiben Statistik Austria und die WHO auf ihren Webseiten. In Österreich lag die Frühgeborenenrate im Jahr 2019 laut Statistik Austria (17) bei 7,4 Prozent aller Lebendgeburten und damit niedriger als in der Studie zu mRNA-Impfstoffen. Der WHO zufolge rangiert die Rate der Frühgeburten in 184 Ländern aber bei fünf bis 18 Prozent.
Wachstumsverzögerungen des Babys
Ist ein Baby bezogen auf das Reifealter, also der Anzahl der Schwangerschaftswochen, zu klein, nennt man das im internationalen Sprachgebrauch "Small for gestational age" (SGA). Auch hier gibt es verschiedene Definitionen und Prozentzahlen. Laut der US-Stiftung "The Magic Foundation" werden zwischen drei und zehn Prozent aller Babys, die jedes Jahr lebend geworden werden, mit SGA diagnostiziert. Einer Studie von Euro-Peristat (2016) zufolge variiert die Rate in Europa von Land zu Land stark. In Österreich lag sie demnach im Jahr 2010 bei Lebendgeburten einzelner Babys bei zehn Prozent. Statistik Austria zufolge deutete im Jahr 2018 bei 9,8 Prozent der Einzelgeborenen in Österreich das Geburtsgewicht bezogen auf die Schwangerschaftsdauer auf SGA hin.
Auch in der Studie zu mRNA-Impfungen bei Schwangeren selbst steht, dass die Anteile der negativen Schwangerschaftsentwicklungen den Anteilen, die bei Untersuchungen vor der Corona-Pandemie festgestellt wurden, ähnlich zu sein scheinen. Frühgeburten oder Fehlgeburten zählen zu solchen negativen Ausgängen. Dies sei aber u.a. aufgrund der genannten Gründe nicht gänzlich miteinander vergleichbar. Daher brauche es noch mehr Studien, etwa in früheren Schwangerschaftsphasen. Die vorläufigen Ergebnisse hätten aber keine Sicherheitsbedenken bei schwangeren Personen, die mRNA-Covid-19-Impfstoffe erhalten hatten, gezeigt.
Empfehlungen von Gesundheitsorganisationen
Laut dem Nationalen Impfgremium (NIG) lassen tierexperimentelle Studien nicht auf schädliche Wirkungen in Bezug auf Schwangerschaft, Entwicklung des Babys oder Geburt schließen. Das schreibt auch die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Bezüglich des Stillens heißt es in der Empfehlung des NIG: "Es ist nicht zu erwarten, dass mRNA-Impfstoffe oder Bestandteile desselben in die Muttermilch übertreten und sich daraus irgendein theoretisches Risiko ableiten ließe. (...) Dies ist auch bei Vektorimpfstoffen nicht zu erwarten."
Die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) empfiehlt in ihrer Stellungnahme von 29. April 2021, Schwangeren aufgrund des erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf die Corona-Impfung zu ermöglichen. Stillenden Frauen könne die Impfung empfohlen werden: "Durch die Impfung gebildete Antikörper gegen eine Infektion mit Sars-CoV2, welche durch die Muttermilch auf das Neugeborene übertragen werden, sind als potenziell schützend anzusehen." Das wird auch in der Studie zu mRNA-Impfungen bei Schwangeren beschrieben.
Das Fazit
Die Prozentzahlen stimmen. Der Anteil der Frauen, die nach einer Corona-Impfung eine Fehl- und Frühgeburt hatte, liegt aber im Durchschnitt. Die vorläufigen Ergebnisse der Studie deuten nicht auf Sicherheitsbedenken hin.