Erkenntnisse der Innsbrucker Uniklinik für Neurologie deuten darauf hin, dass eine Covid-19-Infektion neurologische Funktionsstörungen auslösen kann. Bereits gesichert sei jedenfalls die neurologische Dimension von Long Covid, betonte Neurobiologe Gregor Wenning im APA-Gespräch. Er sprach von unterschiedlichen Langzeitfolgen wie etwa Müdigkeit und Konzentrationsstörungen.

Wenning warnte, dass durch Covid ausgelöste Dysfunktionen des autonomen Nervensystems dann nur noch symptomatisch behandelt werden können. Das autonome Nervensystem ist der Teil des Nervensystems, das weitgehend der willkürlichen Kontrolle entzogen ist und alle unbewussten Körperfunktionen, wie etwa Verdauung oder Herzschlag, steuert. Funktioniert das autonome Nervensystem nicht einwandfrei, spricht man von Dysautonomie.

An der Innsbrucker Klinik für Neurologie leitet Wenning das 2006 gegründete Dysautonomie-Zentrum, das in seiner Art einzigartig in Österreich ist. "Wir diagnostizieren und betreuen im Schnitt 500 Patientinnen und Patienten", sagte Wenning. Nun hätten sie beobachtet, dass von einer Covid-Erkrankung Genesene auch noch Monate nach durchgemachter Infektion neurologische Funktionsstörungen aufwiesen. "Ob die Betroffenen schon zuvor eine nicht diagnostizierte Dysfunktion hatten oder diese erst durch Corona ausgelöst wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen", so Wenning, der auch als Professor für klinische Neurobiologie an der Medizin-Uni Innsbruck tätig ist.

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35 bis 85 Prozent der Covid-Erkrankten entwickeln Langzeitfolgen. Man müsse zwischen akuten und chronischen Effekten unterscheiden. Erstere beträfen meist die Lunge, letztere würden sich ganz unterschiedlich äußern. Fest stehe laut Wenning: "Covid-19 schädigt nicht nur die Atemwege. Die Erkrankung und die damit verbundene Immunreaktion können auch Schäden in Gehirn und Nervenbahnen verursachen".

Neben dem Verlust des Geruchssinns können weitere neurologische Symptome bei Covid-19 auftreten. Im Oktober hatten Ärzte aus Chicago ihre Erfahrungen mit über 500 Patienten veröffentlicht. Sie beobachten bei vier von fünf Patienten Symptome wie Kopfschmerzen oder Schwindel. In New York wurden von März bis Mai 4500 Covid-19- Patienten begleitet. Bei 13,5 Prozent von ihnen wurden schwere neurologische Symptome wie Schlaganfälle, epileptische Anfälle, Lähmungen und Verwirrtheit festgestellt.

"Dass es nach einer Covid-Infektion zu Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen kommen kann, können wir zum heutigen Zeitpunkt bestätigen", meinte Wenning, "allerdings gibt es im Moment keinen Anhaltspunkt für eine anhaltende Demenz." Bei einem vom Imperial College London initiierten Online-Intelligenztest hatten Menschen nach einer überstandenen Sars-CoV-2-Infektion im Durchschnitt schlechter abgeschnitten als Vergleichspersonen im selben Alter und Beruf.

Weiters, so Wenning, scheine eine Infektion mit Sars-CoV-2 eine Neigung zu Autoimmunkrankheiten zum Ausbruch zu bringen. So werde heute öfters ein sogenanntes Posturales Tachykardiesyndrom (POTS) diagnostiziert. Betroffen seien vor allem junge Frauen, die unter übermäßigem Pulsanstieg leiden – "das führt dazu, dass sie nicht lange stehen können oder plötzlich in Ohnmacht fallen".

Auch das Guillain-Barré-Syndrom, das von Lähmungen aufgrund von Nervenentzündungen gekennzeichnet ist, werde häufiger in Zusammenhang mit Covid-19 beobachtet, erklärte Wenning. "Es gibt sehr potente Behandlungen", betonte Wenning, allerdings seien Dysfunktionen meist nur symptomatisch zu behandeln. "Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung leben mit einer autonomen Funktionsstörung", ließ Wenning wissen, erkannt werde diese oft nicht. Vor allem im Hinblick auf den möglichen Zusammenhang mit Covid-19 plädierte der Innsbrucker Mediziner jetzt für mehr Sensibilität.

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