Nach Diskussionen um AstraZeneca gibt es mit Sputnik V wieder einen Impfstoff, der spalten könnte. Er wurde in Russland bereits vor wichtigen Studien zugelassen. Fragen und Antworten zum Impfstoff, den die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gerade prüft:
Welche politischen Bedenken gibt es?
Russland gab bereits Mitte August 2020 mit Sputnik V den weltweit ersten Corona-Impfstoff für eine breite Anwendung in der Bevölkerung frei. "Impfen ist immer auch Politik, es geht nie nur um medizinische Fragen", sagt Historiker Malte Thießen, der sich mit der Geschichte der Immunisierung seit der ersten Pocken-Impfung beschäftigt. Er spricht von Vorbehalten im westlichen Teil der EU. Den Namen Sputnik für einen Impfstoff zu wählen, sei bereits eine "Propaganda erster Klasse", so Thießen. Sputnik 1 hieß der weltweit erste gestartete Satellit, mit dem die Sowjetunion 1957 die westliche Welt schockierte.
Welche Zweifel haben Wissenschafter?
Für den ersten Platz bei der Impfstoff-Freigabe hagelte es für Russland international Kritik. Wissenschafter beklagten vor allem das Fehlen schlüssiger Daten. Grund ist, dass die Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse sogenannter Phase-III-Studien stattfand. Das widerspricht dem üblichen Ablauf. Denn in der Prüfung mit mehreren Tausend Probanden könnten seltene Nebenwirkungen erkannt werden.
Wie funktioniert der Impfstoff?
Das vom staatlichen Gamaleja-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelte Vakzin ist ein sogenannter Vektorimpfstoff und damit dem Impfstoff von AstraZeneca ähnlich. Beide Vakzine nutzen abgeschwächte, harmlose Viren. Ziel ist es, das Immunsystem dazu zu bringen, Abwehrreaktionen gegen SARS-CoV-2 hervorzurufen. Bei Kontakt mit dem Coronavirus ist der Körper dann vorbereitet und kann die Infektion besser eindämmen.
Verabreicht wird der russische Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von 21 Tagen. Damit ist der Abstand zwischen den beiden Teilimpfungen viel kürzer als bei AstraZeneca. Zu den Nebenwirkungen zählen Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit und teils grippeähnliche Symptome. Zudem gibt es Berichte über Fieber und Schüttelfrost.
Wie wirksam ist Sputnik V?
In einer "Zwischen-Analyse" der wichtigen Testphase III mit rund 20.000 Freiwilligen kamen russische Forscher auf eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent. Die Ergebnisse wurden Anfang Februar 2021 ebenfalls in "The Lancet" publiziert. Sie decken sich mit früheren Angaben.
Eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent bedeutet, dass in der geimpften Gruppe 91,6 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als in der Kontrollgruppe. Damit hat Sputnik V demnach eine in etwa gleiche Wirksamkeit wie die Impfstoffe von Moderna und BioNtech/Pfizer und eine höhere als das Mittel von AstraZeneca. Nach Darstellung der Moskauer Behörden funktioniert Sputnik V auch bei der ansteckenderen Variante B.1.1.7. Inwieweit der Schutz bei neuen Mutationen gegeben ist, bleibt abzuwarten. Der Impfschutz war 21 Tage nach der zweiten Impfung aufgebaut.
Wie viel verkauft Russland davon und an wen?
Weltweit 60 Länder hätten Sputnik V zugelassen, wie der staatliche Direktinvestmentfonds RDIF mitteilt (Stand 24.3.). Dieser ist an der Finanzierung von Sputnik V beteiligt und kümmert sich um die Vermarktung des Impfstoffs.
Etwa ab Mitte des Jahres könnten in der EU 50 Millionen Menschen mit Sputnik V versorgt werden, wenn die EMA ihre Zustimmung gebe, erklärte RDIF-Chef Kirill Dmitrijew in Moskau. Dabei soll der russische Impfstoff für die EU auch gleich hier produziert werden. Dazu wurden laut Dmitrijew Produktionsvereinbarungen mit Firmen in Deutschland und anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien geschlossen.
Wird Sputnik V auch in Österreich zugelassen?
In der EU ist das Präparat auch ohne Zulassung schon in Ungarn und in der Slowakei im Einsatz. Erst diese Woche sind weitere 250.000 Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V sind in Ungarn eingetroffen. Tschechien und Österreich haben Interesse signalisiert. "Klar ist: jeder in Österreich eingesetzte Impfstoffe muss wirksam und sicher sein", so Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Dienstag.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) führte bereits ein Gespräch mit dem russischen Botschafter, Dmitri Ljubinski. Sebastian Kurz dazu: man befinde sich "auf den letzten Metern und eine Bestellung von Sputnik kann wahrscheinlich schon nächste Woche erfolgen." Der Kanzler sei sehr froh über die verbindliche Lieferzusage, da eine "sehr zeitnahe Lieferung" hier somit möglich wäre, so Kurz. Derzeit sei man nach bereits wochenlangen Gesprächen noch in der Detailabstimmung, sagte der Bundeskanzler. "Wenn wir Sputnik bestellen, dann werden wir noch im April 300.000 Dosen, im Mai 500.000 Dosen und 200.000 Dosen Anfang Juni erhalten", so Kurz.
Kann der Impfstoff ohne EU-Zulassung in Österreich zur Anwendung kommen?
Kurz hatte bisher immer erklärt, dass die Voraussetzung für eine Lieferung von Sputnik V nach Österreich eine EU-Zulassung sei. Am Dienstag räumte der Kanzler ein, dass es beim Impfstoff "keine geopolitischen Scheuklappen geben" dürfe. Die Leiterin des nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt, äußerte sich am Dienstagabend eher skeptisch zu einer rein nationalen Zulassung.
69 Prozent der Österreicher sprechen sich laut einer Umfrage für einen Ankauf des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V aus. 57 Prozent der Befragten könnten sich auch vorstellen, sich selbst mit dem in der EU noch nicht zugelassenen Impfstoff impfen zu lassen. Das ging aus der Online-Befragung des Meinungsforschungs-Unternehmens research affairs hervor.
Wie ist in Russland der Stand beim Impfen?
Der Regierung in Moskau zufolge sind bisher erst rund zehn Millionen Russen geimpft, gerade einmal 7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Staaten sehr wenig - vor allem angesichts dessen, dass Russland neben Sputnik V noch zwei weitere Corona-Impfstoffe entwickelt hat. Zuletzt hatte Russlands Gesundheitsminister Michail Muraschko eine Herdenimmunität in der russischen Bevölkerung bis Ende Juli angekündigt. Wie das gelingen soll, ist unklar.
Wieso impft Russland nicht zuerst die eigenen Leute?
Das russische Gesundheitsministerium hat stets deutlich gemacht, dass zuerst die eigene Bevölkerung versorgt werden solle, bevor Sputnik V in den Export geht. Trotzdem berichten Staatsmedien in Moskau fast täglich über neue Länder als Abnehmer. Russland will damit sein Image in anderen Staaten verbessern. Zudem zögern auch viele Russen. Hauptproblem ist Umfragen zufolge eine massiv verbreitete Impf-Skepsis in der Bevölkerung.