Der Innsbrucker Gesundheitspsychologe Martin Kopp fordert eine Öffnung der Sportstätten und Gültigkeit von Wohnzimmertests vor dem Training. Er habe sich schon vor Ausbruch der Pandemie mit der Rolle von Bewegung für Wohlbefinden und Krisenbewältigung beschäftigt, erklärte er im APA-Gespräch. Man müsse gerade jetzt die Menschen zum Sport animieren. Neben der Politik sah er auch Schulen und Unternehmen in der Verantwortung.
"Schon sehr kurze Einheiten von sportlicher Aktivität wirken sich positiv auf das Wohlbefinden aus." 150 Minuten moderater Aktivität pro Woche würden reichen, informierte Kopp, der am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck forscht und lehrt. Dass etwa Tennishallen noch immer geschlossen seien, könne er nicht verstehen. "Die Selbstkompetenz der Bürger sollte gerade in Krisenzeiten hochgehalten werden", forderte er. Regionale Differenzierungen würde er "sehr, sehr unterstützen".
"Anti-Sportler" bleiben auf der Strecke
Im Herbst 2020 wurde am Institut das Projekt "Covid-19 und Sport" ins Leben gerufen und vom Förderkreis 1669 der Universität Innsbruck sowie von der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino unterstützt, erzählte Kopp. Es habe sich gezeigt, dass vor allem jene, die vor der Pandemie wenig Sport trieben, jetzt "auf der Strecke blieben". Das sei schade, habe die Befragung doch gezeigt, dass die Anzahl der befragten Tiroler, die nie oder selten Sport ausüben, während der strengen Covid-19-Maßnahmen im Frühjahr und im November/Dezember um fast zehn Prozent anstieg, berichtete Kopp.
Er sah vor allem die Politik gefordert, hier die richtigen Schritte zu setzen. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie gar nicht oder weniger zufrieden sind mit den Regelungen, die ihre Regierung bezüglich der Sportausübung während der Covid-19-Pandemie getroffen hat. Beim Ausformulieren neuer Maßnahmen sollen Entscheidungsträger deshalb darauf achten, die "Leute wieder mitzunehmen".
Bewegung unverzichtbar
Bewegung führe zu einem "Stimmungshoch" und sei gerade in herausfordernden Zeiten unverzichtbar. "Die Stimmung sinkt gerade ins Resignative", beobachtete Kopp. Sport sah er als "Aspekt für eine gefühlte Rückkehr zur Normalität". "Beim Sport spürt man die Normalität körperlich und psychisch."
An Lehrpersonal und Schulen appellierte er, auch im Distance Learning "konstruktive Anregungen" zu geben, und die Schüler zur Bewegung zu animieren. Depressive Verstimmungen seien vor allem unter jungen Menschen stark gestiegen. "Sport macht glücklich", war Kopp überzeugt. Glücksgefühle beim Sport würden zum Teil durch neurophysiologische Prozesse entstehen, erklärte der Psychologe, der Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung diene dem geistig-seelischen Wohlbefinden. "Insgesamt durchbricht Sport negative Gedankenmuster", betonte Kopp, "Bewegung unterbindet das Grübeln und Sinnieren - vor allem bei steigendem Intensitäts- und Komplexitätsgrad".
Schlussendlich seien auch Unternehmen gefordert, Anreize für die Arbeitnehmer zu setzen. Motivierende betriebliche Gesundheitsförderungsprojekte würden derzeit häufig ausfallen, berichtete Kopp. Sportmotivation würde sich aus drei Quellen speisen: Der geforderten Kompetenz - dass die Bewegung als interessant empfunden wird, Autonomie - dass selbstständig entschieden werden kann, welche Sportart man in welcher Intensität ausübe, und Beziehung - zu Mannschaft, Partner oder Trainer.
Die mit dem Ziel der Eindämmung des Coronavirus beschlossenen Maßnahmen würden "Folgekosten mit sich bringen, die man nicht unterschätzen darf", befürchtete Kopp und nannte einen Anstieg von Stoffwechselerkrankungen bei älteren Menschen als Beispiel. Bewegung sei nicht nur "interventionsbezogen" einzusetzen, um die Stimmung und das Wohlbefinden zu heben, fasste er zusammen, sondern auch die "Prophylaxe schlechthin". Personen mit hoher körperlicher Aktivität seien weniger anfällig für psychische Störungsbilder und lebten erwiesenermaßen gesünder und länger.