Während der letzten Tage ist es etwas ruhiger geworden rund um die Mutationen des Coronavirus in Österreich. Das hat sich am Mittwochmittag etwas geändert, als Bundeskanzler Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Tirols Landeshauptmann Günther Platter verkündet haben, dass der Bezirk Schwaz 100.000 zusätzliche Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes bekommt.
Der Grund für diese zusätzliche Lieferung: Schwaz ist besonders stark von der südafrikanischen Coronavirus-Variante B.1.135 betroffen. Ein Grund, sich die Verteilung bzw. die Ausbreitung der Mutationen in Österreich genauer anzusehen, denn laut Ages gehen mittlerweile rund 60 Prozent der Covid-19-Neuinfektionen auf die Kappe von neuen Sars-CoV-2-Varianten.
Die Lage in Tirol
In Tirol zeigt sich folgendes Bild: Nachdem im Jänner erstmals die südafrikanische Variante in Tirol nachgewiesen wurde, war die Aufregung groß. Dorothee von Laer etwa warnte eindringlich vor einem "zweiten Ischgl". Nach einigem Zögern wurden in Tirol Maßnahmen ergriffen, aktuell sieht man, dass sich die B.1.135-Variante konstant haltet, vereinzelt gab es auch Fälle in anderen Bundesländern.
In Tirol bildete sich ja der größte Cluster der Südafrika-Variante außerhalb Südafrikas. Laut Bundeskanzler Kurz waren es zum Höhepunkt des Ausbruchs rund 200 aktive Fälle, aktuell halte man in Schwaz bei rund 100. Die südafrikanische Variante habe schrittweise wieder abgenommen, sagte auch Gesundheitsminister Anschober am Mittwoch, der Anteil am gesamten Infektionsgeschehen liege bei 5,11 Prozent.
Österreich: Britische Variante hat übernommen
Die Lockdown-Lockerungen sowie die -Verschärfungen machen eine Einschätzung der Pandemiesituation aktuell in Österreich recht schwierig. Was aber klar ist, ist, dass die ansteckendere, britische Variante oder B.1.1.7 das Infektionsgeschehen übernommen hat. Dieser Umstand zeigt sich in der Sequenzierungsanalyse der Teams rund um die Molekularbiologen Ulrich Elling und Luisa Cochella am Institut für Molekulare Biotechnologie bzw. Institut für Molekulare Pathologie. Gemeinsam haben sie eine Methode names "SARSeq" entwickelt, die in einer Woche mehr Sequenzierungen möglich macht, als im ganzen vergangenen Jahr in Österreich ausgewertet wurden.
In bis zu 2.500 Proben, welche die beiden Teams am Ende der vergangenen Woche sequenziert haben, fand sich der "Wildtyp" des Virus nur noch 27 Mal, wie Elling erklärte. Dahingegen wiesen in den für Österreich nicht repräsentativen Stichproben bereits um die 80 Prozent jene Mutationen auf, die der britischen Variante entsprechen.
Zum Vergleich: Anfang Jänner machte der Wildtyp noch rund 50 Prozent der analysierten Fälle aus. Dazu kamen vor allem "relativ milde Mutationen, die noch nicht allzu besorgniserregend waren", betonte Elling. Nun sehe man, wie sich B.1.1.7 vor allem im Osten des Landes zur Dominanz aufschwingt, indem sie auch die anderen Varianten zusehends verdrängt.
Südafrika-Variante muss eingedämmt werden
Da die Impfstoffeffizienz bei der Südafrika-Variante B.1.135 laut Elling anscheinend "deutlich schlechter" ist, sollte vor allem deren Verbreitung weiter vehement eingedämmt werden. Entscheidend wird in Zukunft sein, ob in den Mutationsmix der nun dominanten britischen Variante noch weitere Veränderungen aufgenommen werden, die die gesteigerte Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 weiter erhöhen.
Insgesamt sehe man, "dass das Bild bunter wird", so Andreas Bergthaler (Forschungsinstitut für Molekulare Medizin). Neben den britischen, südafrikanischen und ersten Nachweisen der "brasilianischen Variante" (P.2), sehe man etwa auch die "tschechische Variante" (B.1.258). Weltweit zeige sich, dass verschiedene neue Varianten das Zeug dazu haben, sich in wenigen Wochen regional durchzusetzen.
Schnelle Reaktionen sind gefragt
Dass jetzt in Österreich viel daran gesetzt wird, ein rasch harte Daten lieferndes Monitoring-System zu etablieren, könne man als "Aufwärmübung" für den Fall sehen, "wenn zum Beispiel Varianten auftreten, die komplett der Immunantwort entkommen können", sagte Bergthaler. Taucht etwas auf, das danach aussieht, brauche es regional Möglichkeiten zur schnellen Reaktion. Hier könnte aus den Vorkommnissen der vergangenen Wochen in Tirol oder im Bezirk Hermagor gelernt werden. Es gehe also darum, "ohne Vorauswahl einen Querschnitt der Materie der zirkulierenden Viren, regelmäßig, wöchentlich in Österreich sequenzieren".
Trotz all der Anstrengungen rund um das Monitoring als "Vorwarnsystem", bleibe immer ein gewisser Zeitverzug beim Erkennen der Veränderungen. Die beste Chance, die Weiterentwicklung des Erregers insgesamt hintanzuhalten sei daher, die Gesamtzahlen "massiv zu senken. Das würde erstens den Raum für die Evolution reduzieren - denn wo kein Virus ist, das sich repliziert, kann auch keines mutieren", so Elling: "Zweitens würde das Cluster-Tracing wieder möglich." Passiert das nicht, könnten neue Varianten zu einer "Verschärfung der Situation" beitragen.
Wir haben (noch) nichts gelernt
Und aus Fehlern lernen. "Wir hätten eigentlich schon aus SARS-CoV-1 lernen müssen", sagte Elling. Europa und Amerika waren vermutlich "zu lange zu arrogant", indem behauptet wurde, dass Corona ein Problem Chinas sei, das die Gesundheitssysteme hierzulande nicht ins Wanken bringen könne. "Diese Arroganz hat uns einfach gestraft." Erste Infektionsherde wurden eben nicht "ausgetrocknet. Ein Waldbrand kann nicht kontrolliert brennen. Man kann ihn entweder durchbrennen lassen, dann gibt es nachher nur noch Asche - das ist die Herdenimmunität - oder ihn löschen".