Sie ist eine stachelige Schönheit, die eine purpurrote bis violette Krone trägt und als pflanzliches Heilmittel die Leber schützt: Die Mariendistel wurde zur Arzneipflanze des Jahres 2021 gekürt. Auf den ersten Blick oft nur als Unkraut betrachtet, belegen immer mehr Studien die Wirkung des Korbblütlers. Die Experten der pharmazeutischen Institute der Universitäten Graz, Innsbruck und Wien küren Jahr für Jahr „nach strengen Auswahlkriterien“ die Arzneipflanze des Jahres in Österreich. Überzeugen konnte die unter anderem im Waldviertel kultivierte Mariendistel durch ihre schützenden Effekte für die Leber, die durch diverse wissenschaftliche Studien belegt und bestätigt seien.
Bereits Hildegard von Bingen beschreibt die Mariendistel als Heilmittel – wurde damals noch das Mariendistelkraut eingesetzt, konzentriert sich die medizinische Verwendung heute auf die kleinen braunen Früchte der Pflanze. Sie enthalten nämlich den Wirkstoffkomplex Silymarin, der als „Lebermittel“ bekannt ist.
Stopp für Giftstoffe
Wie wirkt nun aber dieses Heilmittel aus der Natur? „Silymarin besitzt eine leberschützende Wirkung. Es interagiert mit spezifischen Leber-Transportproteinen, wodurch Giftstoffe nicht mehr in die Zelle eindringen können“, erklärt Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Graz. Außerdem hat der Wirkstoff antientzündliche und antioxidative Effekte – Zellschäden können verhindert werden. Tierversuche zeigten außerdem, dass Silymarin den Zuckerstoffwechsel positiv beeinflussen und cholesterinsenkend wirken kann. Somit könnte es auch für die Behandlung des metabolischen Syndroms Bedeutung haben. Ein weiteres Einsatzgebiet: Ein Extrakt der Mariendistel wird zur Behandlung von Vergiftungen durch den Knollenblätterpilz eingesetzt. Laut Rudolf Bauer weisen neueste Untersuchungen außerdem eine mögliche Wirksamkeit bei Krebs nach: „Der enthaltene Wirkstoff Silibinin regt den programmierten Zelltod von Krebszellen an“, erklärt der Experte.
In der Behandlung von Patienten wird die Mariendistel vor allem bei Erkrankungen der Leber eingesetzt, wie Annette Jänsch, Fachärztin für Innere Medizin, Schwerpunkt Naturheilkunde, im Immanuel-Krankenhaus Berlin erklärt. „In der täglichen naturheilkundlichen Praxis wenden wir die Mariendistel insbesondere bei Lebensstil-bedingten Fettlebererkrankungen an“, erklärt Jänsch. Diese Form der Fettleber entwickelte sich in der letzten Zeit zur echten Volkskrankheit – 14 bis 27 Prozent der Bevölkerung seien davon betroffen. Auch Patienten mit einer chronischen viralen Hepatitis (Hepatitis B und C) sowie Patienten, die durch eine Chemotherapie eine Leberentzündung entwickelt haben, werden mit Mariendistel-Extrakt behandelt.
Auch pflanzliche Heilmittel haben Nebenwirkungen
Generell gelten pflanzliche Arzneimittel in der Bevölkerung als sanfte Medizin – doch genauso wie jeder andere Wirkstoff können pflanzliche Heilmittel auch zu Nebenwirkungen führen oder mit anderen Medikamenten wechselwirken. Zur Selbsttherapie mit pflanzlichen Produkten aus der Apotheke raten Experten generell nur bei leichten, unkomplizierten Beschwerden – stellt sich nach zwei bis drei Tagen keine Besserung ein, sollte man jedenfalls einen Arzt aufsuchen.