Als Joe Biden diesen Monat die Ansprache zu seinem Amtsantritt hielt und die ganze Welt auf ihn blickte, saß jedes einzelne Wort perfekt. Dass der neue Präsident der USA stottert, war dabei nicht zu bemerken. Trotzdem ist es kein Geheimnis – und zwar weil der Politiker keines daraus macht. Er spricht offen über seine Sprechstörung und ermutigt junge Menschen, es ihm gleichzutun.

Das war aber nicht immer so: „Ich hatte Angst, dass die Menschen denken würden, dass etwas mit mir nicht stimmt, wenn sie wüssten, dass ich stottere“, sagte der Präsident kürzlich in einem Interview. Dass er diese Angst überwunden hat, sieht auch die Logopädin Uli Haas als wichtigen Schritt: „Stottern betrifft sehr viele Menschen und diese sollten sich nicht verstecken. Wir müssen raus aus dem Tabu. Solche Vorbilder helfen dabei.“Aber wie kommt es eigentlich dazu, dass Menschen stottern? „Dabei gibt es eine Schaltungsproblematik im Gehirn. Irgendwo zwischen Sprachplanung und motorischer Durchführung des Sprechens kommt es zu einem Fehler“, sagt die Logopädin. Das hat zur Folge, dass manche Wörter nur schwer über die Lippen kommen.

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Kommen bei einem Kind plötzlich die Wörter ins Stocken, gilt es zuerst herauszufinden, ob es sich dabei um wirkliches Stottern handelt oder ob es nur ein vorübergehender Effekt aufgrund eines Entwicklungsschrittes ist. Abgeklärt werden kann das bei einem Logopäden.

Ist Sprachtherapie notwendig, wird gemeinsam die Symptomatik des Betroffenen erforscht. Spielendes Üben steht im Mittelpunkt. Und auch die Eltern sind gefragt: „Mama und Papa fungieren als Modell für Kinder. Auch das Sprechen macht der Nachwuchs ihnen nach. Daher ist es bei stotternden Kindern wichtig, dass ihnen die Eltern langsames und weiches Sprechen vorzeigen.“Für die Logopädin spielen aber vor allem auch psychologische Aspekte eine wichtige Rolle: „Gerade Schulkinder haben oft unangenehme Reaktionen auf ihr Stottern erlebt. Sie probieren dann oft, die Sprechstörung zu unterdrücken. Dadurch kann es zu Begleitsymptomatiken kommen.“ Beispielsweise versuchen Kinder und Jugendliche häufig, die körperliche Spannung durch Armbewegungen oder Augenzwinkern auszugleichen. Wie beginnt man also eine Therapie, die Kindern auch die Angst nehmen kann? „Bei mir lautet der erste Satz immer: ,Stottern ist erlaubt‘. Man sieht meist sofort, wie viel Druck das von den jungen Menschen nimmt.“
Druck empfinden junge Betroffene vor allem auch dann, wenn sie wissen, dass sie vor vielen anderen Menschen sprechen müssen. „Stottern ist auch eine Kommunikationsstörung. Spricht der Stotterer mit sich selbst oder zu Hause mit seinem Haustier, kommen die Worte fließend. Erst im Gespräch mit anderen gerät man ins Stocken“, sagt Haas. Vor allem Referate sind deshalb vielen Stotterern ein Dorn im Auge. Was empfiehlt sich hier? „Ich rate jungen Menschen immer, ihr Stottern zum Thema zu machen. Man kann ein Referat damit einleiten, dass man auf sein Stottern hinweist und darum bittet, mehr Zeit zu geben, falls die Worte ins Stocken kommen. Das nimmt Stress aus der Situation.“

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Ein offener Umgang ist für Haas der Schlüssel dazu, mit der Sprechstörung zu leben, aber sich von ihr nicht unterdrücken zu lassen: „Dass das Stottern ganz verschwindet, kann man nicht garantieren. Weiches, lockeres Stottern sollte daher legitim sein.“ Dazu kann das soziale Umfeld beitragen: „Wenn einem auffällt, dass jemand Sprechblockaden hat, kann man die Person achtsam darauf anreden und so das Tabu durchbrechen.“