1. Viren mutieren ständig: Warum führen diese beiden Virusvarianten zu großer Sorge?

Das war vor allem die epidemiologische Beobachtung, dass sich beide Varianten in sehr kurzer Zeit sehr stark verbreitet haben – eine in Großbritannien (Variante B.1.1.7), die andere in Südafrika (Variante B.1.351), erklärt die renommierte deutsche Virologin Isabella Eckerle (Universität Genf). „In Großbritannien zirkulierte viel Virus, da müssten wir eigentlich viele verschiedene Varianten sehen – dass sich eine Variante so stark durchsetzen kann, ist besorgniserregend“, sagt Eckerle. Denn es zeigt, dass sich diese Virusvariante deutlich besser überträgt – auch dann, wenn eigentlich strenge Anti-Corona-Maßnahmen herrschen. „Wenn sich diese Variante auch bei uns durchsetzt, haben wir ein Problem, da wir ja schon die aktuellen Viren nicht unter Kontrolle bringen“, sagt Eckerle.  

2. Führen diese Virusvarianten zu einer schwereren Erkrankung?

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Nein, darauf gibt es bisher keine Hinweise. „Für die einzelne Person, die sich mit so einem mutierten Virus ansteckt, macht es also keinen Unterschied im Krankheitsbild“, sagt Eckerle. Das große Problem aber ist die schnellere Verbreitung, wie auch Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren der Universität Basel unterstreicht: „Wenn sich das Virus um 50 bis 60 Prozent schneller ausbreitet, gibt es mehr Erkrankte, mehr Menschen müssen ins Krankenhaus, mehr Menschen sterben.“

3. Wirkt die Impfung auch gegen die mutierten Varianten?

Davon gehen Experten aus – nun legt Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer auch Daten dazu vor. Demnach ist der Impfstoff laut einer vom US-Arzneimittelhersteller durchgeführten Studie gegen die in Großbritannien und Südafrika entdeckten Virusvarianten wirksam. "Wir haben jetzt 16 verschiedene Mutationen getestet, von denen keine signifikante Auswirkungen hatte", sagte einer der führenden Wissenschaftler für virale Impfstoffe bei Pfizer. Auch Reinfektionen – eine erneute Ansteckung nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion – durch die neuen Virusvarianten bereiten den Experten keine großen Sorgen. „Wir sind noch so weit von einer Herdenimmunität entfernt, dass die höhere Ansteckungsrate das größte Problem für uns ist“, sagt Eckerle.

4. Betrifft die neue Virus-Variante vor allem Kinder?

„Das ist noch sehr schwer zu beurteilen, bisherige Daten lassen noch keinen Schluss zu“, sagt Virologin Eckerle. Sie gibt auch zu bedenken: In England gab es einen Lockdown mit offenen Schulen, es sei daher kein Wunder, wenn vor allem Kinder betroffen sind. Was Eckerle jedoch unterstreicht: „Mittlerweile ist es wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder und Schulen eine Rolle im Infektionsgeschehen spielen.“ Das Virus kann auch in Kindern zirkulieren, das sei nur lange nicht aufgefallen, weil Kinder seltener Symptome haben und in Tests unterrepräsentiert waren.  

5. Welche Maßnahmen sind nun notwendig, um die neuen Virus-Varianten einzudämmen?

„Wir müssen genau das tun, was wir seit Monaten predigen: Kontakte vermeiden, Infizierte frühzeitig erkennen und isolieren – alle bisherigen Maßnahmen gelten weiterhin, müssen aber noch konsequenter umgesetzt werden“, sagt Eckerle. „Die größte Herausforderung wird wohl sein, die Menschen weiterhin zu motivieren, sich an die Regeln zu halten, denn es hängt uns allen schon zum Hals raus“, sagt der österreichische Mutationsforscher Andreas Bergthaler. Auch seien diese Mutationen „ein Warnschuss“: „Das Virus hat immer neue Überraschungen bereit – es zeigt uns, dass wir auch mit der Impfung noch nicht am Ende des Marathons sind“, sagt Bergthaler.

6. Wie können solche Mutationen schnell gefunden werden?

Hierzu müssen die sogenannten Surveillance-Programme ausgebaut werden, unterstreichen die Experten – und es braucht europäische und globale Zusammenarbeit. Dass die beiden Virusvarianten in Großbritannien und Südafrika aufgefallen sind, liege daran, dass in diesen Ländern besonders viele Viren genetisch sequenziert werden – in England sind es fünf Prozent aller Fälle, während in Österreich bisher nur 0,3 Prozent der Virusproben sequenziert werden. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) soll eine Ausbreitung der neuen Virusvarianten in Österreich durch mehr Sequenzierungen sowie rigorosere Einschränkungen bei der Einreise aus Großbritannien und Südafrika hinausgezögert werden.

7. Wie können diese Virusvarianten so viele Mutationen gesammelt haben?

Eine Besonderheit der beiden Varianten ist: Sie vereinen eine große Zahl von Mutationen in einer Virusvariante, das sei evolutionär sehr ungewöhnlich. Es gibt laut den Experten zwei Erklärungsansätze dazu: Entweder gab es einen tierischen Zwischenwirt oder das Virus zirkulierte lange in einem Menschen, der Medikamente einnahm, die das Immunsystem unterdrücken. „Ein solcher Patient wird das Virus vielleicht über Monate nicht los und das Virus mutiert schneller als wenn es sich von Mensch zu Mensch verbreitet“, sagt Bergthaler. Für die Zukunft müsse man sich überlegen, wie man mit solchen „menschlichen Evolutionsbeschleunigern“ umgehen kann.

Das Fazit von Virologin Eckerle: „Für den Einzelnen ändert sich nichts, wir müssen die Coronaregeln konsequent einhalten und uns auf anstrengende Monate bis zum Sommer einstellen.“

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