Gibt es den richtigen Zeitpunkt für ein Kind? Zumindest gibt es viele Gründe, das Zeitfenster nach hinten zu verschieben: längere Ausbildungszeiten, familienfeindliche Arbeitsstrukturen, globale Krisen, das Bedürfnis, sich auszuleben, oder, oder, oder. Doch das Leben hält eine Stolperfalle parat: die biologische Uhr. Sie tickt zwar, manchmal lauter, manchmal leiser, aber dank der Wunderwelt der Wissenschaft nicht für alle gleich schnell: Frieren Frauen ihre Eizellen ein, um erst später Kinder zu bekommen, wird das Social Egg Freezing genannt.

Welche Gründe diese Frauen bewegen, haben Forscher in den USA und Israel untersucht. Anders als vielfach angenommen seien weniger Karriere oder Ausbildung entscheidend, sondern vielmehr das Fehlen eines geeigneten Partners, sagt Marcia Inhorn von der Yale University in Berkeley.

Für das Leben nach dem Krebs

Ursprünglich wurde das Social Egg Freezing jedenfalls dafür entwickelt, krebskranken Frauen die Chance zu geben, nach einer Bestrahlung oder Chemotherapie schwanger zu werden. In Österreich ist das Einfrieren weiblicher Eizellen deshalb auch nur dann legal, wenn es einen medizinischen Grund dafür gibt – „das heißt, wenn durch eine Erkrankung oder eine nötige Therapie die Gefahr besteht, unfruchtbar zu werden“, erklärt Martina Kollmann vom Kinderwunschzentrum der LKH-Frauenklinik Graz. Möchte hingegen eine gesunde Frau ihre Eizellen einfrieren lassen, muss sie dafür ins Ausland ausweichen.

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Erst Arbeit, dann Kind?

Dass gefrorene Eizellen in anderen Ländern als Instrument der wirtschaftlichen Prozessoptimierung in den Fokus gerückt sind, passt zu einer Zeit, in der alles planbar ist. Das geht auch an namhaften Konzernen nicht spurlos vorbei. Wir erinnern uns: Apple und Facebook traten 2014 eine Welle der Empörung los. Die beiden US-Unternehmen versprachen, dass sie ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren der Eizellen bezahlen würden. Das Ziel: erst die Karriere, dann das Kind. Damals hagelte es Kritik – solche Maßnahmen könnten ungeahnte Folgen mit sich bringen, hieß es.

Der Ethiker Gabriel Hofer-Ranz hat in seiner Dissertation über das Social Egg Freezing die Stärken sowie die Risiken der Methode analysiert. Einerseits ermögliche das Verfahren in einigen Fällen eine wertvolle Atempause bei der Familienplanung. Doch Gabriel Hofer-Ranz gibt auch zu bedenken: „Wir müssen ernsthaft hinterfragen, ob sich der Arbeitgeber nicht einfach die ‚leistungsstärksten‘ Jahre seiner Mitarbeiterinnen sichern will.“ Denn scheiden Frauen kurzzeitig aus dem Erwerbsleben aus, bringt das auch wirtschaftliche Nachteile für einen Betrieb mit sich: „Wodurch Kinder immer mehr zum zu vermeidenden Störfall in der Welt der Wirtschaft werden.“
CEOs als die neuen Wohltäter werdender Familien? Einen Beitrag zur Befreiung der Frau leisten Unternehmen laut Gabriel Hofer-Ranz nicht. Er sieht darin vielmehr ein „trojanisches Pferd der Emanzipation“, das sogar den Kampf für mehr Gleichberechtigung aufweichen könnte. „Es scheint einfacher zu sein, weibliche Eizellen einzufrieren, als männliche Karrierestrukturen aufzubrechen.“ Was als Sieg über die biologische Uhr verkauft wird, wälzt den Konflikt zwischen Kind und Karriere erneut auf die Frau ab: „Staat und Arbeitgeber sind aus dem Schneider“, so der Ethiker. Neue Freiheit, alte Lasten.

Fruchtbarkeit ohne Ablaufdatum?

Aus medizinischer Sicht gilt: Allzu großer Aufschub verringert allgemein auch die Chance auf Empfängnis. Zwischen 20 und 30 Jahren ist die Chance für Frauen, schwanger zu werden, am höchsten. Ab 35 nimmt die Fruchtbarkeit deutlich ab, gleichzeitig steigen die Risiken. Und auch durch Social Egg Freezing lässt sich die Biologie nur begrenzt überlisten. Eingefrorene Eizellen bringen keinen Garantieschein mit sich, dass es später mit der Familienplanung problemlos funktioniert. Die aufgetaute Zelle einer 25-Jährigen ist zwar grundsätzlich so gut wie eine frische, aber die Schwangerschaft einer Mittzwanzigerin verläuft freilich anders als die einer über 40-Jährigen, der man ihre eigene junge Eizelle später einsetzt.

Druck nehmen, Zeit gewinnen

„Diese Art der Fertilitätsvorsorge bietet Frauen eine gewisse Absicherung“, sagt Ethiker Gabriel Hofer-Ranz, er plädiert aber gleichzeitig für eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des eigenen Lebens. „Social Egg Freezing nährt den alten Traum der stillstehenden Zeit“, gibt er zu denken. Zu leicht entstünde „ein Leben im Aufschub“, wie es die deutsche Medizinethikerin Claudia Bozzaro nennt. „Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Wiegt man sich im Schlummer, dass einem alle Optionen offenstehen, verpasst man wahrscheinlich die Chancen, die sich wirklich bieten.“