Ratlosigkeit, plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Der Hubschrauber landet, Dietlind Linhofer ist 26, als ihr Herz immer langsamer schlägt. Keine halbe Stunde zuvor ist die junge, sportbegeisterte Lehrerin noch auf der Couch gesessen und hat für ihre Doktorarbeit gelernt. Ein Druckgefühl am Brustbein habe sie schon gespürt und vermutet: „Vielleicht bin ich blöd gelegen.“ Dann überkommt sie Übelkeit, einmal ist ihr heiß, einmal kalt, sie liegt am Boden. Ein beklemmendes Gefühl, wie sie heute sagt. Sie kann fast nicht mehr sprechen. Die Rettung organisiert den Hubschraubereinsatz, „das ist etwas Schlimmes“, heißt es. „Ich bin stabilisiert worden“, die Erinnerungen sind aber bruchstückhaft. „Ich dachte, mein Leben ist jetzt vorbei.“
Fünf Tage später sollte sie aus dem künstlichen Tiefschlaf aufwachen. Ihr Herz hatte fast nicht mehr geschlagen, das Blut wurde aus ihrem Körper geleitet und mithilfe einer Maschine mit Sauerstoff angereichert. Diagnose: Herzmuskelentzündung, eine besonders gefährliche Form. Eigene Zellen richteten sich gegen das Herz, eine Art Autoimmunerkrankung. Mehrfache Operationen an der Herzchirurgie waren notwendig, ehe das Herz wieder stärker zu schlagen begann. Es folgten gut ein Monat Aufenthalt am LKH-Uniklinikum in Graz, dann acht Wochen Rehabilitation.
Heute erinnert sich Linhofer (Mädchenname Deutschmann), dass schon im Monat zuvor „etwas nicht in Ordnung“ gewesen sei. Mit einer Verkühlung habe sie weiter Volleyballmeisterschaft gespielt, in der Schule hatte sie ihr erstes Jahr „eine volle Lehrverpflichtung“ und außerdem habe sie eben noch an ihrer Dissertation gearbeitet. „Ich glaube, dass ich vorher nicht auf meinen Körper geachtet habe. Ich habe Zeit gebraucht, um das zu reflektieren, wahrscheinlich bin ich noch gar nicht ganz fertig.“ Es brauche „sehr lange“, bis man wieder 100-prozentig Vertrauen in den eigenen Körper, ins eigene Herz fasse. Linhofer, Sportwissenschaftlerin, Mathematik- und Sportlehrerin, hatte unmittelbar nach der Erkrankung sogar Probleme, ein Glas Wasser zu halten. „Meine Muskeln waren so gut wie weg, es war sogar schwierig, aufrecht zu sitzen.“ Kein einfacher Weg zurück ins Leben, mit vielen Mosaiksteinen gepflastert. Beginnend bei der ambulanten Reha bis hin zur Bewegung, zum Sport. Ein Jahr hatte es gedauert, bis sie wieder einigermaßen fit war.
„Ich lebe heute bewusster, habe versucht, meinen Stress im Alltag zu reduzieren“, sagt Linhofer heute. Ausdauertraining war die Basis, Bewegung genießen das Motto, und die Pulsuhr war immer dabei. „Ich habe versucht, schrittweise weiterzukommen, mit kleinen Schritten, weil ich keinen Rückschlag haben wollte. Man kann sich gut hocharbeiten.“ Beim Volleyball aber sei sie noch vorsichtig. „Da gibt es Einschränkungen, auch deshalb, weil ich noch nicht ganz das Vertrauen in mein Herz habe. Aber ich kann alles machen, da bin ich schon sehr stolz, dass ich das durch meine Konsequenz, durch mein Durchhaltevermögen geschafft habe.“
„Körper, Seele und Geist“, so Linhofer, „gehören zusammen.“ Sie sei spiritueller geworden, habe „alternativmedizinisch einiges gemacht“. „Als Ergänzung zur Schulmedizin war das für mich sehr wichtig und hilfreich. Wichtig ist, dass man selbst eine positive Einstellung hat und das Vertrauen, dass alles wieder gut werden kann. Trotz allem.“
Zwischen künstlichem Tiefschlaf und Babyfreude
Emotion. Was spüren Herzpatienten, die im künstlichen Tiefschlaf sind? Dietlind Linhofer erzählt über ihre Erfahrungen. Und sie hat eine süße Nachricht.
Dietlind Linhofer hat noch etwas auf dem Herzen. Immerhin schwebte sie fünf Tage zwischen Leben und Tod und wurde in den künstlichen Tiefschlaf versetzt. „Im Tiefschlaf war ich nicht weg, wie manche das vielleicht glauben. So empfinde ich das heute in meiner Erinnerung. Ich war immer in irgendwelchen Räumen unterwegs. In den Träumen waren Ärzte und Menschen in diesen Räumen, die ich kenne. Menschen, die mich besucht haben.“
Sie erzählt, dass ihre Mutter, während Linhofer im künstlichen Tiefschlaf lag, immer ein Lied vorgesungen habe. „Als ich aufgewacht bin, habe ich das Lied erkannt. Das muss man sich einmal vorstellen. Interessant, dass man so etwas wahrnimmt.“ Linhofer hat alles aufgeschrieben, wie sie sich fühlte, wie es ihr ergangen ist. „Ich habe viel meditiert und so viele haben für mich gebetet und an mich gedacht, als es mir so schlecht ging – das war ein wichtiger Beitrag.“ Nur vier Personen durften sie besuchen: ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Freund, mit dem sie jetzt verheiratet ist. „Er hat einen Blog eingerichtet, damit Freunde, Verwandte und Bekannte immer wussten, wie es mir geht. Und die E-Mails, die sie mir geschickt haben, hat er mir dann alle vorgelesen.“
Und: „Als der Arzt mir gesagt hat, dass mit der Erkrankung die meisten – wenn sie durchkommen – auf ein Kunstherz oder ein Spenderherz angewiesen sind, war ich einfach nur dankbar, dass ich mein Herz behalten durfte und damit heute lebe. Der 23. 11. ist mein Herzgeburtstag, weil ich eine zweite Chance bekommen habe. Es ist so unfassbar schön, weil ich jetzt auch noch erfahren habe, dass ich schwanger bin und Leben schenken schenken darf.“ Happy End: Linhofer verriet, dass sie und ihr Mann ein Baby bekommen.
Didi Hubmann