Im Klassenzimmer, im Büro, auf einer Feier oder einer Chorprobe: Für Beispiel-Situationen wie diese lässt sich mit Hilfe eines Risiko-Kalkulators berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, sich in geschlossenen Räumen über Aerosole mit dem Coronavirus zu infizieren. Ebenfalls berechenbar ist, inwiefern das Risiko durch Schutzmaßnahmen wie Lüften oder das Tragen von Masken reduziert werden kann. Dem Kalkulator liegt ein Algorithmus zugrunde, der von Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie und des Cyprus Instituts in Zypern im Rahmen einer Studie veröffentlicht wurde.
Welche Rolle feinste Aerosolpartikel in der Luft für die Übertragung des Coronavirus spielen, ist noch nicht vollends geklärt. Laut einer Vielzahl an Experten ist die Übertragung von SARS-CoV-2 über die Luft jedoch sehr ernst zu nehmen. Auch das Robert-Koch-Institut listet Aerosole als möglichen Infektionsweg auf.
Aber was sind Aerosole eigentlich?
Bei Aerosolen handelt es sich um winzige Tröpfchen, die Menschen beispielsweise beim Atmen, Sprechen oder Singen ausstoßen und die über einen längeren Zeitraum in der Luft schweben und sich in Innenräumen verteilen können. Problematisch daran ist, dass Aerosole auch SARS-CoV-2-Viren enthalten können. Eine Infektion ist dann „auch über größere Entfernungen möglich – Entfernungen, die weit über den Babyelefanten hinausgehen“, sagt Bernhard Lamprecht, Lungenfacharzt und Covid-19-Spezialist am Kepler Klinikum Linz.
Standard-Einstellung: Klassenzimmer
In der Standard-Einstellung des Online-Kalkulators gehen die Studien-Autoren von einem Klassenzimmer mit einer Gesamtgröße von 60 Quadratmetern und einer Höhe von 3 Metern aus. Im Raum selbst befinden sich 25 Schüler für jeweils sechs Stunden Unterricht am Tag. Ein Schüler davon ist zwei Tage lang hochansteckend.
Davon ausgehend, dass weder Masken getragen werden noch direkt gelüftet wird, ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 91 Prozent, dass sich mindestens ein weiterer Schüler ansteckt. Ändert man die Parameter hingegen manuell ab und geht zumindest von einem einmaligen Stoßlüften pro Stunde aus, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 58 Prozent.
Frei wählbare Szenarien
Neben den erwähnten Beispielen wie Klassenzimmer, Büro oder Chorprobe lassen sich im variierbaren Online-Kalkulator des Max-Planck-Instituts für Chemie beispielhaft auch eigene Szenarien durchspielen. Um das individuelle Ansteckungsrisiko zu berechnen, sind folgende Parameter anzugeben:
- Eigenschaften der infizierten Person
- In welcher Lautstärke kommuniziert sie?
- Trägt sie eine Maske?
- Wie hoch ist ihr Redeanteil?
- Wie hoch ist das Atemzeitvolumen?
- Raumeigenschaften
- Wie häufig wird gelüftet?
- Welche Grundfläche hat der Raum?
- Wie hoch ist der Raum?
- Veranstaltungsdetails
- Wie lange die "Veranstaltung"?
- Welche Art von Masken werden getragen?
- Wie viele Teilnehmer sind vor Ort?
Für Experten gibt es zusätzlich die Möglichkeit, in separaten Feldern Parameter wie zum Beispiel die Viruskonzentration des Infizierten oder die Infektionsdosis zu verändern.
Die Studie
Der in der Studie vorgestellte Algorithmus basiert unter anderem auf Messdaten zur Virenlast in Aerosolen, zur Menge der von Menschen bei verschiedenen Aktivitäten abgegebenen Schwebteilchen und auf dem Verhalten der Partikel in Räumen. Unklar ist jedoch, wie hoch die Anzahl an Viren ist, die Aerosole enthalten. Diese kann sich von Träger zu Träger stark unterscheiden.
Während das Modell gezielt das Ansteckungsrisiko über Aerosole ermittelt, erlaubt es keine Aussagen zur Gefahr, sich über größere, schnell zu Boden fallende Tröpfchen zu infizieren, wenn man mit Trägern des Virus über kurze Distanz spricht, lacht oder singt.
Corona-Chatbot der Stadt Wien
Wie groß der Bedarf der Bevölkerung an einer Online-Lösung abseits der Gesundheitshotline 1450 ist, zeigt auch der Corona-Chatbot der Stadt Wien. Seit vergangener Woche ist der auf künstlicher Intelligenz basierende Symptom-Checker online und verbuchte bereits innerhalb der ersten 24 Stunden 1,5 Millionen Fragen und Antworten.
Das Prinzip ist einfach: Bürger geben ihre Symptome in das als Medizinprodukt zertifizierte Programm ein, beantworten Rückfragen und und erhalten schließlich Auskunft über ihr persönliches Covid-19-Risiko. Ergibt sich ein erhöhtes Risiko, erhält der Nutzer einen diagnostischen PCR-Test - zuhause oder in einer der Teststraßen.
Claire Herrmann