Bis zum vorigen Jahr, sagt Virologin Monika Redlberger-Fritz von der Med Uni Wien, waren die Trennlinien relativ klar: Eine echte Grippe (medizinisch: Influenza) von einem banalen grippalen Infekt zu unterscheiden, war allein aufgrund der Symptome der Patient möglich. „Zu 80 Prozent stimmte die Diagnose allein durch die Untersuchung“, sagt die Expertin. Die echte Grippe, eine schwere Virusinfektion, beginnt typischerweise ganz plötzlich mit hohem Fieber, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen sowie einem starken Krankheitsgefühl. Ein grippaler Infekt hingegen, ausgelöst durch „Schnupfenviren“ wie Rhino- oder Adenoviren, beginnt schleichend, führt meist nur zu leicht erhöhter Temperatur und geht oft mit einer rinnenden Nase einher.
Doch dann kam Covid-19 und dieses neue Virus „hat die Grenzen zwischen den Erkrankungen völlig verwischt“, sagt Redlberger-Fritz. Die Bandbreite der Symptome ist so groß, dass es sowohl Überschneidungen mit der Grippe wie auch mit einer Erkältung geben kann. „Es gibt keine Symptome, die so eindeutig wären, dass man daran eine Diagnose festmachen kann“, sagt Robert Krause, Infektionsspezialist der Med Uni Graz – es braucht den Test und den Virusnachweis aus dem Labor.
Absondern wirkt immer
Was heißt das für Menschen, die Erkältungssymptome zeigen? „Egal, welches Virus dahintersteckt: Ich muss verhindern, dass ich es weitergebe“, sagt Krause. „Für die genaue Diagnose ist ein Coronatest erforderlich, bei Nachweis von Covid-19 ist dann eine zehntägige Fernhaltung von anderen notwendig“. Geht es Erkrankten aber so schlecht, dass beispielsweise Atemnot oder Kreislaufprobleme auftreten, gilt: 1450 wählen oder die Rettung verständigen.
Doch wird es in der heurigen Erkältungssaison überhaupt zu dem typischen Hoch an Schnupfnasen und Grippe-Kranken kommen – oder können die Corona-Maßnahmen auch diese Viren im Zaum halten? In Australien, wo die saisonale Grippe immer ein halbes Jahr früher auftritt, zeigte sich: Die Grippewelle, die dort normalerweise im Mai oder Juni beginnt, ist mehr oder minder ausgeblieben.
Der Blick auf die Südhalbkugel erlaubt erfahrungsgemäß eine Vorahnung dessen, wie sich die Grippe auf der Nordhalbkugel im Winter entwickeln wird – doch Redlberger-Fritz geht nicht davon aus, dass die Grippe heuer ganz ausbleibt. „Das Grippevirus wird trotzdem zirkulieren, aber die epidemiologische Kurve könnte abgeflacht sein oder die Grippewelle später beginnen“, sagt die Expertin. Was genau auf uns zukommt, bleibt aber abzuwarten.
Redlberger-Fritz gibt auch zu bedenken: „Während das Coronavirus vor allem über Tröpfchen und Aerosole übertragen wird, spielt bei der Influenza auch die Schmierinfektion eine große Rolle in der Übertragung.“ Influenzaviren werden also häufiger über die Hände oder kontaminierte Oberflächen weitergegeben als Coronaviren – und hier spielen Kinder und Schulen in der Infektionskette eine wesentliche Rolle.
Die Grippewelle beginnt in Österreich typischerweise im Jänner, meist im Zusammenhang mit dem Ende der Weihnachtsferien. Im Moment sind hierzulande noch keine Grippeviren im Umlauf, „wir sehen nur Rhinoviren zirkulieren“, sagt Redlberger-Fritz.
Covid-19 und Grippe: nicht vergleichbar
Was Covid-19 und die Grippe jedenfalls unterscheidet: „Während die Influenzakurve langsam nach oben geht, werden durch Covid-19 sehr viele Menschen gleichzeitig schwer krank, weil es keine Immunität in der Bevölkerung gibt“, sagt Krause. An der Grippe erkranken jede Saison etwa zehn Prozent der Bevölkerung, davon muss etwa ein Prozent ins Krankenhaus.
Bei Covid-19 schwankt diese sogenannte Hospitalisierungsrate zwischen 5 und 20 Prozent – das liegt daran, dass in den Sommermonaten vor allem jüngere Menschen infiziert waren, die seltener schwere Verläufe zeigen. „Jetzt erkranken aber auch wieder mehr ältere Menschen, daher sind auch so viel mehr Covid-Patienten in den Krankenhäusern“, sagt Krause. Und Redlberger-Fritz fügt an: „Durch Covid-19 landen zehnmal mehr Menschen auf Intensivstationen als durch die Grippe.“