„Dänemark tötet aus Corona-Sorge alle Nerze“:Diese Schlagzeile geht um die Welt. Der Hintergrund: Das Coronavirus sei unter Nerzen mutiert und wurde auf den Menschen übertragen, sagte Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen. Das Problem daran sei, dass diese Mutation dafür sorgen könnte, dass ein künftiger Impfstoff nicht seine erhoffte Wirkung entfalte. Bei zwölf Menschen im Norden Jütlands sei bereits eine mutierte Version des Coronavirus Sars-CoV-2 festgestellt worden, sagte Frederiksen. Zugleich warnte sie davor, dass die Mutation sich nicht nur auf weitere Teile Dänemarks, sondern auch im Rest der Welt ausbreiten könnte.

Diese Aussagen wecken große Ängste: Steht ein weiterer Pandemie-Beschleuniger bevor? Die Impfstoff-Entwicklung befindet sich gerade auf der Zielgeraden – war das Warten und Hoffen umsonst? Wir haben Andreas Bergthaler, Virologe und Leiter des Projekts Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich gebeten, die Geschehnisse einzuordnen.

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„Dass das Coronavirus von Menschen auf Nerze und auch wieder retour von Nerzen auf Menschen übertragen werden kann, ist seit einer Untersuchung von Anfang September bekannt“, sagt Bergthaler – die Beobachtungen stammten damals aus den Niederlanden. Zu den momentanen Ereignissen in Dänemark gebe es allerdings noch keine wissenschaftlich belastbaren Beweise für die Aussagen der Regierungschefin: „Aus den Pressemitteilungen wissen wir leider nichts darüber, um welche Mutation es sich handelt.“ Auch auf Twitter fordern internationale Corona-Experten mehr Informationen zu den Hintergründen aus Dänemark.

Impfung hat mehr als einen Zielpunkt

Irritiert ist Bergthaler auch über die Aussage, eine Mutation könnte dazu führen, dass Impfungen unwirksam werden: „Impfungen haben immer mehrere Zielpunkte, es müssten gleichzeitig mehrere Mutationen an genau diesen Angriffspunkten auftreten, um eine Impfung unwirksam zu machen. Das ist sehr unwahrscheinlich.“ Auch Impfstoffforscher Florian Krammer zeigte sich im Podcast „Corona Update“ zuversichtlich, dass ein Impfstoff lange wirksam bleiben wird, denn: Anders als das Influenza-Virus, das jede Saison in neuen Varianten auftaucht, verändern sich Coronaviren eher langsam.

„Dass Viren mutieren ist aber völlig normal und nichts Besonderes“, unterstreicht Bergthaler: Bei SARS-CoV-2 trete im Durchschnitt alle zwei Wochen eine neue Mutation auf. Was ist dran an Gerüchten, dass Mutationen das Coronavirus ansteckender gemacht haben und das Infektionsgeschehen in Europa deshalb so zugenommen hat?

Schweizer Forscher haben Ende Oktober eine neue SARS-CoV-2-Variante identifiziert, die sich in den letzten Monaten europaweit verbreitet hat. Vor allem in Spanien und den Niederlanden, aber auch in der Schweiz breitete sich diese Variante des Virus aus – in Österreich konnten die Forscher um Bergthaler diese Mutation noch nicht feststellen, die Analysen hinken zeitlich aber auch hinterher.

„Wichtig ist: Wir wissen überhaupt nicht, ob diese Mutation das Virus ansteckender gemacht hat oder den Krankheitsverlauf verändert“, sagt Bergthaler – das unterstrichen auch die Schweizer Forscher. Es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass Mutationen zur Ansteckungshäufigkeit beitragen, aber: „Es gibt eine Vielzahl anderer, genauso guter Erklärungen, warum das Infektionsgeschehen so an Fahrt aufgenommen hat“, sagt Bergthaler: saisonale Veränderungen, unser soziales Verhalten, das erhöhte Testaufkommen, etc.

Mehr Mutationen bei Sprung zwischen Spezies

Was jedoch klar ist: Springt ein Virus zwischen Spezies, also zum Beispiel zwischen Mensch und Nerz, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Mutationen auftreten, viel höher. „Wir wissen ja heute schon, dass SARS-CoV-2 neben dem Menschen noch andere Spezies befallen kann, wie Katzen, Hunde, Frettchen und Hamster sowie Primaten“, sagt Bergthaler. Bisher sei es bei Haustieren jedoch immer so gewesen, dass der Besitzer das Virus auf das Tier übertragen habe.